Vorbemerkung: Diese Ausführungen sind dem folgenden Buch entnommen:
Hemme, Otto, Steinborn, Max, Frank, Heinrich, Leben in einem norddeutschen Dorf, Elze (Wedemark) zwischen 1930 und 1950, Wedemark 2018, S. 228 ff.
(Der folgende Text wurde für diese Zwecke gerinfügig gekürzt und teilweise umgearbeitet.)
Luftkrieg im Bereich der Wedemark
Die amerikanischen und britischen Bombergeschwader, die die Wedemark während des Krieges überflogen, hatten nicht in erster Linie Hannover oder andere norddeutsche Städte als Ziel, sondern sie überflogen die Wedemark oft auf dem Hin- und Rückweg von und nach Berlin. Hatten sie auf dem Nachhauseweg noch Restbestände Bomben an Bord, wurden diese zum Teil hier um Elze herum im Bereich des Wietzenbruches oder des Forstes Rundshorn abgeworfen. Das Dorf blieb somit von Bomben verschont bis auf eine Ausnahme. Auf dem Rückweg von Berlin hatte eine Maschine noch Restbestände Brandbomben an Bord. Diese wurden in den damals noch nicht bebauten Bereich zwischen Mittelstraße und In der Horst abgeworfen. Sie explodierten und entfachten Feuer auf dem Gartenland und Acker. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden und kein Haus geriet in Brand. Gerberdings polnischer Kriegsgefangener tarnte daraufhin die auf dem Hof stehenden Strohwagen. Elze hatte schon seit den dreißiger Jahren eine Sirene, die auf dem Transformatorenturm am Bruchweg Ecke Hohenheider Straße montiert war. Wenn zu erwarten war, dass Flugzeugverbände die Wedemark überflogen, wurde mit der Sirene zunächst Voralarm ausgelöst. Überflogen die Verbände direkt Elze, wurde Bürgermeister Sprengel von der Meldestelle angerufen und Fliegeralarm ausgelöst. Der Schalter für die Sirene war in Sprengels guter Stube. Der Bürgermeister löste dann mit der Sirene den Alarm aus. Die Elzer hatten dann wenige Minuten Zeit, ihre Häuser zu verlassen und die „Splitterschutz-Erdbunker“ aufzusuchen. Musste während der Schulzeit Fliegeralarm ausgelöst werden, rief Sprengel den Bäcker Springhetti an, der in Nachbarschaft zur Schule wohnte. Der Bäcker lief dann dort hin um den Alarm zu melden, weil die Schule zu der Zeit noch kein Telefon besaß. Der Lehrer schickte die Schüler nun auf dem schnellsten Weg nach Hause. Zwar hörte man in der Schule das Heulen der Sirene ebenso wie die anderen Dorfbewohner, doch der Bürgermeister ließ die Schule jedesmal extra informieren, ob der Alarm eine Beendigung des Unterrichts erforderte oder nicht, damit nicht unnötig viele Schulstunden ausfielen. Um Elze herum gab es keine Flakstellung, wohl weil hier alles sehr flach ist. Die nächste Erhöhung ist im Nachbarort Hellendorf und dort war auch die nächste Flugabwehrstellung. Von diesen Flakstellungen aus wurden die feindlichen Flugverbände beschossen. Gleichzeitig kam es oft zu Luftkämpfen mit deutschen Jägern. Darüber ob nun ein abgeschossener Bomber von einem Flakgeschoss oder von einem Jäger getroffen wurde, gibt es hier nur in einigen Fällen Gewissheit. Die Bomber hatten etwa acht bis zehn Soldaten Besatzung und mehrere Flugabwehrgeschütze an Bord, um die Jäger abzuwehren. Eine amerikanische B17 schoss über Plumhof einen deutschen Jäger (Focke Wulf 190A) ab. Dieser stürzte dann auf eine andere B17, die daraufhin auseinanderbrach. Marianne Heidke wurde Zeugin dieses Dramas. Sie sah einige Soldaten aus der zerbrochenen Maschine springen, die sich so noch mit dem Fallschirm retten konnten. Der deutsche Jägerpilot starb bei dem Abschuss. Fünf Amerikaner konnten sich noch mit dem Fallschirm retten. Weitere fünf starben in der abstürzenden Maschine. Die alliierten Flugverbände flogen meistens in einer Höhe von 6000 bis 7000 Metern, um weitgehend vor deutschem Flakbeschuss sicher zu sein. Wurde eine Maschine in einer solchen Höhe abgeschossen, hatte die Besatzung meistens genug Zeit, um aus dem Flugzeug zu springen und sich mit dem Fallschirm zu retten. Bei den mir bekannten Abstürzen gab es meistens nur einen Toten und mehrere Verwundete. Die Fallschirme hatten aber damals noch keine Steuereinrichtungen, wie moderne Fallschirme heute. Je nach Wetterlage landete die Besatzung nun meistens auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern. Während einer zufällig am Ortsrand von Elze niederging, verteilten sich seine Kameraden über die gesamte Gemarkung. Sie wurden meistens von Bauern aufgelesen und mit dem Pferdefuhrwerk mit nach Elze genommen. Das alte Spritzenhaus und das Transformatorenhaus am Bruchweg dienten als Lazarett und gleichzeitig als Gefängnis. Die verwundeten Soldaten wurden dann zunächst von Dr. Schmiedta und der „Rot-Kreuz Gemeindeschwester“ versorgt. Auch aufgeregte Elzer fanden sich meistens ein. Wohl mehr aus Sensationsgier denn aus Fürsorge. Mehrere sollen darunter gewesen sein, die verwundete Soldaten wütend beschimpften und sogar nach ihnen traten. Darunter waren auch Leute der SS. Aber auch das Gegenteil ist bezeugt. Der junge SS-Soldat Friedel Küster half beim Verbinden eines verletzten Amerikaners im Transformatoren-häuschen am Bruchweg. Der Ortsgruppenleiter F. aus Hellendorf trat hinzu, beschimpfte den verletzten Amerikaner und trat nach ihm. Dann fragte er den SS-Soldaten Küster, warum er dem Feinde helfe? Er werde jetzt eine Meldung an seine Dienststelle schreiben, damit er seine gerechte Strafe erhalte. Glücklicherweise hatte diese Meldung aber wohl wegen des fortgeschrittenen Krieges keine Auswirkung mehr auf Friedel Küster.
Aufstellung der abgeschossenen oder abgestürzten Flugzeuge im Bereich der heutigen Wedemark:
Flugzeugabstürze im Bereich Wedemark
27.09.1944 Negenborn, Me109G
27.09.1943 Wiechendorf, Halifax, durch Flak (britisches Flugzeug)
18.10.1943 Bissendorf, Lancaster, durch Flak (britisches Flugzeug)
18.10.1943 Negenborn, Lancaster, durch Flak (britisches Flugzeug)
22.11.1943 Scherenbostel, Halifax,durch Flak (britisches Flugzeug), vgl. den Textauszug unten.
5.02.1944 Hellendorf, Mosquito, durch Flak (britisches Flugzeug)
20.02.1944 Moor zwischen Resse und Wiechendorf, Lancaster, durch Flak (britisches Flugzeug)
08.03.1944 Plumhof, B-17, Bomber (amerikanisch) Auseinandergebrochen und abgestürzt nach Kollision mit einem abgeschossenen deutschen Jäger.
08.03.1944 Elze, im Wietzenbruch (Hellern), B-17 G Fortress (amerikanisches Flugzeug)
In einer speziellen Recherche von Dirk Hartmann, Langenhagen, fand der Amateur- Archäologe und Spezialist für Flugzeugabstürze im Zweiten Weltkrieg (u.a. für den Bereich Wedemark) heraus:
„Absturz nach Beschuss durch dt. Jäger gegen 13:00 Uhr Ortszeit, ca. 5 Kilometer nordöstlich von Elze-Wedemark im Bereich des Waldstückes „Hellern“.Von zehn Besatzungsmitgliedern konnten sich neun mit dem Fallschirm retten. Da sie in in einer Höhe von 6000 bis 7000 Metern aus dem Flugzeug sprangen, landeten sie großräumig im Gebiet Fuhrberg, Wieckenberg, Elze. Nur ein einziger landete im Bereich des Elzer Wietzenbruchs und wurde dort von einem Elzer Bauern mit dem Pferdefuhrwerk mit nach Elze genommen. Ein Amerikaner kam bei dem Absturz ums Leben.“
Die wahrscheinliche Absturzstelle im Forst Rundshorn ist heute noch sichtbar. Der im Ruhestand lebende Förster der Landesforsten, Helmut Andrick, sagte, dass dort bis heute keine Bäume wachsen.
29.04.1944 Meitze, B-24, Bomber (amerikanisch)
29.04.1944Meitze, B-24, Bomber (amerikanisch)
Zwei B 24 Bomber stürzten am selben Tag bei Meitze ab. Eine Maschine direkt am Ortsrand neben Gudehus auf einem Acker. Die andere B 24 zwischen Meitze und der heutigen A7.
Der Pilot befand sich beim Schulungslehrgang „Elbe”. Die Piloten sollten dort lernen, die alliierte Luftüberlegenheit an der Elbe dadurch zu bekämpfen, dass sie sich in Kamikaze-Manier auf sie stürzten und rammten.
Bild des amerikanischen Bombers, der mit einem weiteren am 29.4.1944 bei Meitze abstürzte.
Quelle: Buschbaum, Annemarie, Ortschronik Wiechendorf, a.a.O., S. 53
Scherenbostel: Flugzeugabsturz, November 1943
Quelle: Schulchronik von Scherenbostel, S. 54
Bissendorf: Luftangriff auf Bahnhof im Herbst 1944
"Kriegszeit 1944 Eine der Auswirkungen in Wedemark-Bissendorf -
Ich, Cord Knibbe, wohnte damals als knapp 10-Jähriger mit meinen Eltern im Haus Nr. 153 am Mühlenberg, jetzt Am Mühlenberg Nr. 19. Straßennamen gab es zu dieser Zeit noch nicht. 100 Meter aufwärts, heute ist dort eine Arztpraxis, waren Flakbaracken mit Soldaten, die ein Horchgerät, einen Scheinwerfer und einen MG-Stand hatten. Zwischen uns waren Ackerflächen, die Schule wurde erst in den 1960er Jahren gebaut. Immer wieder flogen feindliche Bomberverbände hinweg über uns. Es muss im Herbst 1944 gewesen sein, genaues Datum weiß ich nicht mehr, da hörte ich aus Richtung der Flakbaracken ein plötzliches „Tack, tack, tack usw.“ Da mußte ich hin, was ist da los? Den MG-Stand umschlossen ca. 1,80 m hohe Sandwälle. Mittendrin das MG, hinter dem der Obergefreite Kaune lag und feuerte. Er zielte auf ein kreisendes feindliches Jagdflugzeug, das den Bahnhof mit einem haltenden Eisenbahnzug beschoß. Ich lag dann ebenfalls neben dem Soldaten, es war aufregend. Kurze Zeit später drehte der von Kaune beschossene Jäger ab. Hatte wohl etwas abbekommen, war aber flugfähig. Ich bin dann später zum Bahnhof gegangen, habe die beschossene Dampflokomotive gesehen. Wie die Leute dort sagten, der Lokomotivführer sei tödlich getroffen und weggebracht worden. Bissendorf hat auch noch andere Kriegsleiden erfahren durch Bomben, Brandbomben, Erschießungen, dann Einquartierungen.
Bissendorf, 11. Jan. 2021, Cord Knibbe"
Bissendorf: Bombardierung
Quelle: Knibbe, Cord, a.a.O.
Meitze: Notlandung eines amerikanischen Bombers
Quelle: Knibbe, Cord, Vorkriegs-. Kriegs- und Nachkriegszeit (Auszug)
Lindwedel: Bombenangriff auf den Bahnhof
(Lindwedel gehört zwar nicht zur Wedemark, grenzt aber direkt nördlich an. Dieser Vorfall wurde hier mit aufgenommen, weil er auch in der Wedemark unmittelbar wargenommen wurde.)
Am 15.10.1944 wartete auf dem Bahnhof in Lindwedel ein mit Torpedosprengköpfen beladener Güterzug auf einen Gegenzug aus Schwarmstedt, in dem neben Einheimischen auch eine große Anzahl polnischer und russischer Zwangsarbeiter aus dem Lager Oerbke saßen, als britische Kampfflugzeuge den Güter- und den Personenzug angriffen.
Zwölf Lindwedeler Bürger und eine unbekannte Anzahl (geschätzt 400) Zuginsassen kamen dabei ums Leben.
Der Luftangriff auf die Züge wird auch im " Mellendorfer Kriegstagebuch 1942- 1949 " von dem damaligen Mellendorfer Schulleiter Niedermeyer geschildert: