Die Napoleonische Zeit wird auch oft als Franzosenzeitbezeichnet. "[Sie] wurde – vor allem in der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts – als die Epoche der französischen Herrschaft über große Teile Europas zwischen 1792 und 1815 (Napoleonische Kriege) bezeichnet. Sie wurde oft mit der Regierungszeit Napoleon Bonapartesgleichgesetzt und meinte insbesondere die Zeit der französischen Besatzung großer Teile des damaligen Deutschland, ihrer direkten Zugehörigkeit zum französischen Kaiserreich oder zu napoleonischen Vasallenstaatenwie dem Königreich Westphalen. Die Franzosenzeit endete vorübergehend mit Napoleons militärischer Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und seiner Deportation nach Elba. Das war das Ende des Königsreiches Westphalen. Nachdem er nochmal nach Frankreich zurückkehrte und die Schlacht bei Waterloo 1815 verlor, wurde er von den alliierten Staaten nach St. Helena verbannt, wo er 1821 starb.. Die Zeit galt wegen der dadurch verursachten antifranzösischenRessentiments als Inkubationszeit einer deutschen nationalen Identitätsbildung in Abgrenzung zum so genannten „Erbfeind“. Im Zuge der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Begriff an politischer Relevanz verloren."
Die Napoleonische Zeit ist insgesamt sehr differenziert zu betrachten und inhaltlich sehr umfangreich. Daher können natürlich auch hier nur die Aspekte angesprochen werden, die für uns von Relevanz sind. Es geht also nicht um Napoleon Bonaparte allgemein, sondern um seinen Bruder Jerome, der von ihm zum König im Königreich Westphalen (1807 - 1813) ernannt wurde, nicht zuletzt, um hier einen Modellstaat mit Errungenschaften der Französischen Revolution zu entwickeln. Und zu diesem Königreich Westphalen gehörte auch die Wedemark.
Napoleon Bonaparte, (1769 - 1821) Kaiser der Franzosen
Napoleon Bonaparte I. - realistisches Portrait
"... Aus korsischer Familie stammend, stieg Bonaparte während der Französischen Revolution in der Armee auf. Er erwies sich als ein militärisches Talent ersten Ranges. ... Von 1799 bis 1804 als Erster Konsul der Französischen Republik und anschließend bis 1814 sowie nochmals 1815 als Kaiser der Franzosen stand er einem diktatorischen Regime mit plebiszitären Elementen vor. ... Durch verschiedene Reformen – etwa die der Justiz durch den Code civil oder die der Verwaltung – hat Napoleon die staatlichen Strukturen Frankreichs bis in die Gegenwart hinein geprägt und die Schaffung eines modernen Zivilrechts in besetzten europäischen Staaten initiiert. Außenpolitisch errang er, gestützt auf die Armee, zeitweise die Herrschaft über weite Teile Kontinentaleuropas. ... Auf den katastrophalen Ausgang des Feldzugs gegen Russland ab 1812 folgten die Befreiungskriege, die Erschütterung der Vorherrschaft Frankreichs in großen Teilen Europas und letztlich der Sturz Napoleons. Nach einer kurzen Phase der Verbannung auf Elba kehrte er 1815 für hundert Tage an die Macht zurück. In der Schlacht bei Waterloo wurde er endgültig besiegt und bis zu seinem Lebensende auf die Insel St. Helena verbannt."
Jérôme / Hieronymus Bonaparte König von Westphalen 1807 - 1813
Jérôme und Katharina als König und Königin von Westphalen Quelle: https://www.wikiwand.com/de/K%C3%B6nigreich_Westphalen#Media/Datei:J%C3%A9rome_und_Katharina_von_Westphalen.jpg
"Der jüngste Bruder Napoleons I. (1764 - 1860) wurde im Collège zu Juilly erzogen. Nach dem 9.11.1799 zog ihn Napoleon zu sich heran, doch mußte Jeromewegen seiner leichtfertigen und verschwendungssüchtigen Lebensart bald wieder die Umgebung Napoleons verlassen. ... Als Napoleon im Frieden von Tilsit am 7.7.1807 das Königreich Westfalen begründete, Hauptstadt Kassel, setzte er J. zum König ein, in einem Staat, der aus den rechtsrhein. Gebieten Preußens, aus Kurhessen, Braunschweig-Wolfenbüttel und Teilen Hannovers gebildet wurde. Er verheiratete ihn mit der Tochter des Königs von Württemberg. Der formal souveräne König von Westfalen blieb als franz. Prinz politisch und persönlich abhängig vom Kaiser. Im Interesse der napoleonischen Machtpolitik in Europa sollte das neugeschaffene Königreich zum Modellstaat entwickelt werden. Es mangelte J. weder an liberaler Gesinnung noch an Fähigkeiten, im Sinne der kaiserl. Regierungsanweisung ein vorbildlich organisiertes sowie mustergültig verwaltetes Staatswesen einzurichten mit:
- der Einführung des Code Napoléon, - dem Aufbau eines fortschrittlichen Gerichtswesens mit Geschworenengerichten, - der Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit, - der Durchsetzung der Gewerbefreiheit, - der Aufhebung der Leibeigenschaft sowie der Ablösbarkeit der grundherrlichen Rechte.
Die Reformpolitik des westphälischen. Königs und seiner Regierung mußte jedoch scheitern, weil die maßlosen finanziellen, militärischen und wirtschaftlichen Anforderungen des franz. Kaisers dem neuen Staate die Existenzgrundlage entzogen. Der Ruin der Staatsfinanzen sowie die bedrückende Lage der Bevölkerung wurden weniger durch die so oft dargestellte Verschwendungssucht am Kasseler Hofe, als vielmehr durch die Eroberungs- und Ausbeutungspolitik Napoleons bewirkt. Nach dem Zusammenbruch von dessen Großreich 1813 fand J. Zuflucht zunächst in der Schweiz und dann in Triest. Dem Zwischenspiel der Hundert Tage 1815, an dem er in der Schlacht bei Waterloo mitwirkte, folgte endgültig das Exil. Als Fürst von Montfort (1816) verbrachte J. über 30 Jahre in Württemberg, Österreich, dem Vatikanstaat und Florenz. Erst die Revolution von 1848 ermöglichte ihm die Rückkehr nach Frankreich. Er wurde Ende 1848 Gouverneur in Paris, 1850 Marschall von Frankreich und, nach dem Staatsstreich seines Neffen Louis Napoléon (Napoleons III.), im 2. Kaiserreich Präsident des Senats sowie kaiserl. Prinz mit dem Recht der Thronnachfolge.
Quelle: Nach https://www.deutsche-biographie.de/pnd118557432.html
Jerome Bonapartes Proklamation als König des Königreichs Westphalen 16. August 1807 (Ausschnitt)
Jeromes Aufenthalt in unserer Region:
1810 in Bad Nenndorf zur Kur, 1810 in Celle, 1810 in Hannover,14 Tage .
Königreich Westphalen, ein Modellstaat
Die Absicht, im Königreich Westphalen einen Modellstaat zu errichten, der sich weitgehend von den deutschen Feudalstaaten unterschied, schlug sich u.a. in der Verfassung nieder, die wie alle amtlichen Regelungen zweisprachig in Französisch und Deutsch abgefasst waren. Wobei man festhalten muss, dass diese Verfassung nicht von einer gewählten Volksvertretung erarbeitet und verabschiedet worden war, sondern in altem feudalistischen Sinn von Napoleon Bonaparte als königliches Dekret erlassen wurde. Inhaltlich war sie jedoch anti-feudalistisch ein Schlag gegen das deutsche, speziell königlich-hannoversche Feudalsystem, das hiermit - vorübergehend bis 1813 - aufgehoben wurde. (Die Verwaltungssprache war zweisprachig französisch und deutsch.)
Anmerkung: Der kleine rote Kreis symbolisiert in etwa die Lage des Cantons Bissendorf (vormals Amtsvogtei Bissendorf) im Distrikt Celle des Departements der Aller
Dekret von Napoleon Bonaparte vom 18. August 1807, in dem aufgezählt wird, welche Landesteile das neue Königreich Westphalen bilden.
"Entwicklung seit 1810
Im Januar 1810 wurde das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg mit Ausnahme des Herzogtums Sachsen-Lauenburg integraler Teil von Westphalen. Am 13. Dezember des Jahres musste es einen Großteil des Weser-Départements einschließlich der Hauptstadt Osnabrück an das französische Kaiserreich abtreten, welches sich zudem weite Teile Nordwestdeutschlands (etwa einer Linie von der Lippemündung bis Lübeck folgend) einverleibte, um so die Kontinentalsperre gegen Großbritannien zu verstärken. Die Auflösung der Départements der Elbe- und Wesermündung und der Niederelbe erfolgte offiziell am 1.Januar 1811; die dem Königreich verbliebenen Teile wurden den Départements der Aller und Fulda zugeschlagen."
Nachdem Napoleon im Oktober 1813 in der sog. Völkerschlacht bei Leipzig besiegt worden war, löste sich seine Streitmacht auf, Verbündete fielen von ihm ab, er zog sich nach Frankreich zurück, die deutschen Feudalmächte drangen sich wieder in ihre ehemaligen Machtbereiche ein und etablierten möglichst umfassend ihre alten Positionen. Im November 1814 wurde in der Amtsvogtei Bissendorf die alte Amtsordnung von 1674 wieder eingeführt.
Nach Napoleons endgültiger Niederlage bei Waterloo trat der Wiener Kongress zusammen und versuchte sich an einer rückwärts gewandten Neuordnung Europas unter den Stichworten "Restauration" und "Legitimität".
Einzelne bedeutende gesetzliche Neu-Regelungen:
Code Napoleon:
"Der Code civil ... regelt das französische Zivilrecht. Es wurde 1804 von Napoleon Bonaparte eingeführt und in den nachfolgenden drei Jahren durch ein Zivilprozessbuch, den Code de procédure civile, und ein Handelsgesetzbuch, den Code de commerceergänzt. ... Der Code civil gilt als ein modernes und bedeutendes Gesetzeswerk der Neuzeit, da es dem Vorbild eines vernunftrechtlich-liberal geprägten Kodifikationsmodell folgt." ..."Der Code Civil wurde nicht in seiner Gesamtheit rezipiert, wohl aber in der Weise, dass er die privatrechtlichen Kodifikationen einer langen Reihe von Ländern maßgeblich beeinflusste. So wurde das Gesetzbuch in anderen durch Frankreich in der Zeit von 1807 bis 1814 dominierten Staaten eingeführt (z.B. dem Königreich Westphalen, dem Herzogtum Warschau, im Königreich Holland und dem Königreich Italien). Er bildet auch bei uns noch heute ein Grundmuster des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Quelle: https://www.wikiwand.com/de/Code_civil
Rechtsordnung:
"Gemäß dem französischen Vorbild erließ Napoleon für das neue Königreich eine Verfassung, die Constitution des Königreichs Westphalen. Am 1. Januar 1808 wurde das bürgerliche Gesetzbuch (Code Napoléon) und das zivile Prozessrecht (Code de procédure) im Königreich eingeführt. Bis die deutschen Druckfassungen des Gesetzescodex in den Provinzverwaltungen verteilt waren, dauerte es jedoch bis September 1808." Quelle: https://www.wikiwand.com/de/Justizwesen_im_K%C3%B6nigreich_Westphalen
Gerichtsverfassung
"Die Gerichtsorganisation wurde neu geregelt. Die bisherigen Gerichte (darunter auch die Patrimonialgerichte) wurden aufgehoben und neue Gerichte installiert. Prinzipien hierbei waren:Trennung von Verwaltung und RechtsprechungDie richterliche UnabhängigkeitUrteile sollten ab einer gewissen Bedeutung der Streitsache nicht von Einzelrichtern, sondern von Spruchkammern getroffen werdenDas Verfahren sollte öffentlich sein.Die Fälle durften höchstens ein Jahr laufenDer Instanzenzug sollte höchstens 2 Stufen umfassen..."
"Die französische Kirchenpolitik in den Vasallenstaaten und den Frankreich seit 1810 direkt angegliederten Gebieten beruht auf dem Prinzip der Gleichberechtigung aller Konfessionen. Im November 1807 wird den 15.000 im Königreich Westphalen lebenden Juden die politisch-rechtliche Gleichstellung mit anderen Staatsangehörigen zugesichert. Am 27.01.1808 verkündet die Regierung ein Emanzipationsdekret." Nach der Niederlage Napoleons 1815 wird im ehemals französisch besetzten Deutschland die Juden-emanzipation in unterschiedlicher Weise zurückgenommen.
Einführung der Gewerbefreiheit im Königreich Westphalen
Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ist das Handwerk in Zünften organisiert. Unter französischer Herrschaft werden die althergebrachten Gewerbeverfassungen in den westfälischen Territorien modifiziert bzw. beseitigt. Am 05.08.1808 wird die "Gewerbefreiheit" im Königreich Westphalen konstituiert. Die einzige Bedingung für die Ausübung einer selbständigen beruflichen Tätigkeit stellt nach französischem Vorbild die sogenannte Patentsteuer dar. Durch das freie Niederlassungsrecht für alle Einwohner innerhalb des Königreichs ist die Möglichkeit zur Gründung von Gewerbebetrieben nicht mehr durch die Städte eingeschränkt. Im Jahr 1810 werden alle gewerblichen Korporationen aufgelöst"
Bauernbefreiung im Königreich Westphalen 1808
Während der napoleonischen Zeit werden ...Vorschriften zur Aufhebung der Leibeigenschaft und zur Ablösbarkeit von Reallasten verkündet. ...Im Königreich Westphalen ist die Leibeigenschaft durch das am 23.01.1808 in Kraft getretene Gesetz offiziell beseitigt. Allerdings besitzt ein Bauer hier keine Möglichkeit, das vollständige Besitzrecht über den Hof zu erlangen. Insgesamt zeigen die Agrarreformgesetze kaum Wirkung, da sie äußerst bruchstückhaft sind und den komplexen rechtlichen Verhältnissen nicht gerecht werden. Da Napoleon hohe Würdenträger in den Adelsstand erhebt, sie mit Landbesitz in den Vasallenstaaten ausstattet und auf diese Weise neue Grundherrschaften errichtet (Dotationspraxis), scheitern die Reformen vor allem im Königreich Westphalen an den restaurativen Tendenzen der kaiserlichen Politik. Hinzu kommt die Armut der meisten Bauern, die eine Ablösung der auf ihnen lastenden Verpflichtungen so gut wie unmöglich macht." Quelle: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/input_felder/langDatensatz_ebene4.php?urlID=552&url_tabelle=tab_websegmente
Dienstgebäude des Cantons Bissendorf während der Franzosenzeit
Die Verwaltungsgeschäfte wurden in der Zeit von 1806 bis 1813 von dem " Cantonsmaire", dem vormaligen Hausvogt Johann Heinrich Christian Schäfer, in dem ehemaligen Forsthaus in Wennbostel und nicht in dem Amtsgebäude Bissendorf, geführt. Der Grund für diese siebenjährige Verlegung des Amtes ist unbekannt. Grundrisse und Pläne des Amtshofes Bissendorf wurden erst zufällig 2003 im Staatshochbauamt in Celle entdeckt. Bei der Totalrestaurierung des jetzigen Bürgerhauses im Jahre 2006 (erbaut 1819) wurden Fundamentreste des Vorgängergebäudes gefunden. Allerdings erlauben sie keine Hinweise auf den Grund und den Zeitpunkt des Abrisses und der vorherigen Nutzung.
Forsthof in Wennebostel
Dienstsiegel des Notars von Ilten
Beispiel einer Ablösung der Feudallasten 1813 im Canton Bissendorf:
Vor dem Notar Friedrich Georg Christian von Ilten, der die freiwillige Gerichtsbarkeit im früheren Amte Bissendorf wahrnahm, erschienen am 24. Juni 1813 ein paar Bauern, um die Ablösung ihrer Zehntverpflichtungen zu beantragen. In einem umfangreichen Schreiben wurde u.a. festgehalten:
"[...] Geschehen Commüne Wennebostel, Canton Bissendorf, Districts Celle, im Departement der Aller - den vier und zwanzigsten Junius des Jahres Eintausendachthundert und dreyzehn. (24. 06. 1813) Der mir dem Notar Friederich Georg Christian von Ilten und den beyden adhibirten Zeugen, den Einwohner Johann Heinrich Dunker und den Einwohner Johann Heinrich Magers, beyde hieselbst wohnhaft, volljährig und im Genuß des Westfälischen Bürgerechts erschienen in meinem Geschäfts- zimmer in der vormaligen Försterwohnung nachbenannte Grundeigenthümer und Landwirthe zu Bis- sendorf, welche dem Herrn Gutsbesitzer Georg August von Mandelsloh hieselbst zu Wennebostel den Frucht- und Fleischzehnten aus ihrer Feldmark und Dorfschaft entrichten müsten nemlich:
1. Der Einwohner Hans Heinrich Schneermann (Nr. 26) 2. Der Einwohner Johann Heinrich Ohlhorst (Nr. 47 u. 54) 3. Der Einwohner Friedrich Rust (Nr. 36) 4. Der Einwohner Johann Heinrich Lindemann (Nr. 32) 5. Der Einwohner Johann Heinrich Wöhler, genannt Windmüller (Nr. 29) 6. Der Einwohner Friedrich Wöhler, genannt Kuhlmanns (Nr. 27) 7. Der Einwohner Hans Heinrich Plinke (Nr. 28)
und geben folgendes zu Protokoll: bis lang hätten sie bekanntlich das Ablösungsgeschäft mit den übri- gen von Mandelslohschen Zehntpflichtigen zu Bissendorf, Wiechendorf, Gailhof und Ickhorst und so ferner betrieben, da indeß die meisten ihrer Ortsgenossen gegen die intendirte Ablösung des Zehnten ihre Abneigung
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zu erkennen gegeben hätten und hierdurch das eingeleitete Ablösungsgeschäft unterbrochen worden, sie inzwischen ihren Entschluß: den fraglichen Zehnten nach Anleitung der darüber sprechenden Decreti abzulösen, bis jetzt nicht aufgegeben hatten, sondern nemlich dessen Verwandlung in eine Rente, oder falls mit ihren bemeldeten Zehntherren eine Übereinkunft stattfinden sollte, den Ablösungs Preis baar herauszubezahlen, sehnlichst wünschten, so wollten sie hiemit ihrem Zehntherren, dem Gutsbesitzer Herrn Georg August von Mandelsloh zu Wennebostel ihre Zehntpflichtigkeit, was ihre Per son anlange nachmals aufkündigen und von der Ablösungs-Befugnis des Articuli siebenzehn des Kö- niglichen Decrets vom siebenten September Eintausendacht und zehn (07. 09. 1810) Gebrauch ma- chen. [...]"
"Die tatsächliche Ablösung des Zehnten nach dem Code Napoleon für den Hof Nr. 26 Schneer-mann117 erfolgte am 07. 09. 1813, so liest man es in der Hofgeschichte dort in einem Vertrag mit demselben Notar. Die Ablösesumme betrug 492 Reichtsthaler 8 Groschen und 3 1/5 Pfennig.
Für den Börnshof in Wiechendorf Nr. 1 erfolgte die Ablösung des Zehnten am 18. 09. 1813 und für den Hasenhof dort am 21. 09. 1813."
Quelle: Hahn, Hellmuth, Die Amtsvogtei Bissendorf im Fürstentum Lüneburg, Bissendorf 2003, 2. Auflage, S. 107/108
Die Belastungen der Bevölkerung:
Die napoleonischen Reformen brachten der Bevölkerung durchaus Vorteile, indem sie alte feudale Rechte aufhoben. Aber diese Zeit war zu kurz für eine grundsätzliche positive Veränderung. Im Gegensatz dazu waren vor allem Napoleons Kriegszüge in Europa für die Bevölkerung eine Jahre währende unerträgliche Belastung im alltäglichen Leben. Der Grund lag vor allem in der permanenten Belastung durch fremde Soldaten, hohe Kontributionen für das fremde Militär, Soldatenaushebungen und unglaubliche Mengen an "Kriegerfuhren", mit denen militärische Ausrüstung hin und her transportiert werden musste.
Quelle: Privatbesitz, Liste aus dem Königreich Westphalen, 1806
Der Mellendorfer Lokalhistoriker Paul Gimmler berichtet:
Er hat dazu beispielhaftes Material zusammengetragen in seinem Buch "Mellendorf I, Mellendorf 1970, S. 268 bis 284, im Folgenden ohne Quellenangaben wiedergegeben:
Quelle: Amtsvogtei Bissendorf, Kartenausschnitt von LeCoq, 1813
D i e N a p o l e o n i s c h e Z e i t
[...] Der 1. Koalitionskrieg (1792— 1797), in dem Preußen, später auch England, Holland und Spanien dem angegriffenen Österreich als Verbündete zur Seite getreten waren, hatte mit dem Frieden von Campoformio sein Ende gefunden. Nur England führte den Krieg weiter. Es ist nun nicht mit Sicherheit zu erkennen, ob die Truppen, die 1798 ständig durch Mellendorf passierten, noch dazu gehörten, oder ob es sich schon um die Aufmarschbewegungen zum 2. Koalitionskrieg handelte. Jedenfalls wird vom Jahre 1796 berichtet, daß das an der Post- und Haupt-Heerstraße belegene Mellendorf „mit fast beständigen Militair-Einquartirungen versehen“ und es nur zu oft erforderlich ist, daß ein Fehmgeschworener mit „resolutem Benehmen“ seines Amtes walte.
Als England am 18. Mai 1803 Napoleon den Krieg erklärte, ließ dieser sofort das mit England durch Personalunion verbundene Hannover besetzen. Da dessen Armee in keiner Weise für einen Krieg gerüstet war, schloß ihr Führer mit den herannahenden Franzosen ein schimpfliches Übereinkommen, und als die Landstände auch noch für den Fall eines Widerstandes gegen die Franzosen ihre Hilfe versagten, kam es zu der ehrlosen Kapitulation von Artlenburg. Schon Anfang Juni waren die Feinde in Mellendorf. Am 10. Oktober wurde von der Mellendorfer Kanzel, wie von allen Kanzeln Hannovers, eine Bekanntmachung der Besatzungsmacht verlesen, nach der jeder, der sich mit englischer Werbung befasse oder in englische Dienste übergehe, mit dem Tode bestraft werden sollte.
Die häufigen Anforderungen der Franzosen von Kriegerfuhren machte eine Neuregelung dieser Einrichtung notwendig. Bisher trafen diese Dienste immer nur diejenigen, die in der Nachbarschaft der großen Hauptstraßen wohnten. Sie, und zwar fast ausschließlich sie, wurden bei allen Transporten und Truppendurchmärschen in Anspruch genommen. Das waren aber auch gerade wieder die Orte, die mit Einquartierungen belegt wurden und die durchmarschierenden Soldaten bewirten mußten. Die neue Regelung bestimmte: „Für die Dauer der Besatzung sollen Freye und Unfreye im gleichen Verhältnis zur Teilnahme an den Kriegerfuhren verpflichtet sein, entweder durch wirkliche Leistung oder durch Geld.“
Diese Verpflichtung sollte ruhen „auf allen cultivirten Besitzungen, auch Dienstländereien, auch Einwohnern der Städte und Flecke, worin Ackerbau getrieben wird, auch wenn sie sie [die Krieger fuhren]im Siebenjährigen Kriege nicht geleistet haben“. Für jeden Tag und jedes Pferd sollte eine Vergütung von 24 mgr. gewährt werden, aber nur für solche Leistungen, die auf gültige Requisition der neuen Obrigkeit ordnungsgemäß erfolgt wären. Durch ein Verzeichnis der von den französischen und hannöverschen Truppen requirierten Wagen und Pferde, das der Bissendorfer Hausvogt Schäfer aufgestellt hat, sind wir recht gut über die an die Mellendorfer Bauern gestellten Anforderungen unterrichtet. Es sind nur die Mellendorfer herausgezogen. An erster Stelle wird immer der genannt, der die Wagen oder Pferde in Anspruch genommen hat.
11. VI.: Ein Chasseur vom 23. Rgt. / 1 zweispänniger Wagen / Joh. Jürgen Brauckmann [44] und Cord Heinrich Schmedes [1] / Überfahrt nach Hannover / 2 Meilen / 1 Tag. 12. VI.: Oberst vom 23. Chass. Rgt. / 1 Reitpferd / Hans Heinrich Casten [7] Bote nach Gilten / 2V2 Meile / 1 Tag. 13. VI.: Uoffz. v. 23. Rgt. / 1 zweispänn. Wagen / Joh. Hinr. Musmann [11] und Hinr. Strube [17] / Überfahrt nach Hannover u. retour / 4 Meilen / 2 Tage. 16. VI.: Uoffz. v. 23. Rgt. / 2 zweisp. Wagen / 4 Pferde / Joh. Cord Craas [3] und Joh. Hr. Wichmann [8], Cord Hr. Hartmann [Nr. 18] u. Frombhof [22] / Überfahrt von Kranken nach Hannover / 2 Meilen / 1 Tag. 21. VI.: Adjutant Coupet v. 23. Chass. Rgt. / 1 zweisp. Wg. / Hs. C. Bartels [21] u. Voltmer [24] / Hannover u. retour / 4 Meilen / 2 Tage. 26. VI.: Chass. v. 23. Rgt. / 1 Reitpferd / Gottlieb Gödecke [28] / Bote nach Hademsdorf / 2V2 Meile / 1 Tag. 5. VII.: Im ganzen 36 Wagen, Trainwagen mit Werkzeugen nach Lüneburg / aus Mellendorf: Ludwig Schmidt [35] u. Daniel Hanebuth [29] / 13 Meilen / 6 Tage. 8. VII.: Oberst v. 13. Rgt. / 2 zweisp. Wg. / 6 Wagenpferde / Joh. Hr. Harcke [38], Friedr. Lüsenhop [39], Hs. Hr. Henstorf [41], Blume [42], Brauckmann [44], Joh. Jürg. Hanebuth [?], Cord Hr. Pröhl [31], Ludwig Schmidt [35] / Überfahrt n. Hannover / 2 Meilen / 1 Tag. 9. VII.: Dragoner v. 13. Rgt. / 2 Reitpf d. / Jobst Hr. Dedecke [2] u. Hs. Hr. Casten [7] / Hademstorf / 2V2 Meilen / 1 Tag. 10. VII.: Franz. Soldaten des 13. Rgt. / 1 Zweisp. / Joh. Hr. Stucke [12] u. Joh. Jürg. Knibbe [30] / Überfahrt n. Langenhagen / 1 Meile / 1 Tag. 16. VII.: Chass. Offz. v. 23. Rgt. / 4 Wagenpferde / Henning Beneking [26], Pröhl [31], Ludwig Schmidt [35], Hs. Casten Strube [37] / Überfahrt nach Essel / 2 Meilen / 1 Tag. 17. VII.: Ordonnanz v. 23. Chass. Rgt. / 1 Zweisp. / Joh. Hr. Harcke [38] u. Lüsenhop [39] / Überfahrt nach Essel / 2 Meilen / 1 Tag. 18. VII.: Dto. / 2 Reitpferde / Friedrich Hanebuth [43] u. Brockmann [44] / Relais- Reiten / Essel / 2 Meilen / 1 Tag. 19. VII.: Offz. / 2 Zweisp. / Cord Hr. Hartmann [18] / Überfahrt nach Hannover / 2 Meilen / 1 Tag. 22. VII.: Ordonn. des Obersten / 6 Wagen u. 2 Reitpferd. / Joh. C. Craas [3], Hs. Hr. Casten [7], Joh. Hr. Wiegmann [8], Joh. Hr. Mußmann [11], Hr. Strube [17], Cord Hr. Frombhof [22], Hs. Hr. Bartels [21], derselbe [21] / Überfahrt nach Hannover / 2 Meilen / 1 Tag. 25. VII.: Oberst v. 13. Drag. Regt. / 6 Wagenpf d. / Daniel Hanebuth [29], Joh. Jürg. Knibbe [30], Cord Hr. Pröhl [31], Ludw. Schmidt [35], Joh. Hr. Harcke [38], Friedr. Lüsenhop [39] / Überf. n. Essel / 2 Meilen / 1 Tag.
Erwähnt werden in der Amtsvogtei Bissendorf General Maresi, Oberst Saint Germain vom 13. Rgt., das 23. Chasseur-Regiment, das 11. und 13. Dragoner-Rgt. und das 4. u. 5. Husaren-Rgt. Wie ersichtlich, waren die Anforderungen anfangs noch ganz erträglich. Leider reißt das Verzeichnis des Hausvogtes Schäfer mit dem 25. Juli ab. Schwerer als die Kriegerfuhren lasteten die Einquartierungen auf den Bauern. Diese mußten zunächst die Verpflegung für die Soldaten und Hafer, Heu und Stroh für die Pferde liefern, die Entschädigung kam erst später, mitunter sehr viel später. Daß auch die Stellung von Kriegerfuhren mit dem 25. Juli noch nicht zu Ende war, geht aus einem Interim-Wirtschaftsvertrag der Kothe Nr. 34 vom 26. September 1803 hervor, in dem es heißt:
„Es mache die anjetzt obwaltende feindliche Besetzung des hannöverschen Landes und somit die den Ort Mellendorf betreffende Einquartierungs-Last, auch der f a s t t ä g l i c h e Bedarf an Kriegerfuhren die Herbeischaffung eines arbeitstüchtigen Reihemannes unausweichlich notwendig.“ Pastor K r o p berichtet über diese Zeit (1804): „(Was der Geschworene Schnehagen) in Rücksicht der Truppendurchmärsche sagt, . . . davon hat Mellendorf seit der Occupation unserer Lande würcklich viel gelitten . ..“
In zunehmendem Maße wuchs die Erbitterung gegen die Franzosen. Im Februar 1804 hatten die Schlägereien zwischen Landeseinwohnern und französischem Militär so überhand genommen, daß die Krüger nach 9 Uhr abends keine Gäste mehr aufnehmen durften. 1805 begann der 3. Koalitionskrieg, in dem sich England, Schweden, Rußland und Österreich gegen Napoleon verbündeten. Um den noch mehr gestiegenen Anforderungen an Kriegerfuhren gerecht werden zu können und eine reibungslose Durchführung zu sichern, waren schon vorher im ganzen Lande sog. „Etappenstationen“ eingerichtet worden, denen bestimmte Dörfer zugeordnet waren. In jeder solchen Etappe standen stets eine größere Anzahl von Pferden bereit, um sofort eingesetzt werden zu können. Hier wurde auch bei längeren Transporten der Pferdewechsel vor genommen. Größerer Bedarf wurde den Dörfern vorher mitgeteilt, und es war Aufgabe des Geschworenen und des Bauermeisters, ihn auf die einzelnen Höfe umzulegen. Auch Mellendorf war eine solche Etappe, und selten hat es so bewegte Zeiten erlebt, wie in den nun folgenden Jahren.
Im November 1805 wurden Kriegerfuhrendienste geleistet für das Kgl. Preuß. Grenadier-Batl. v. Hülsen, das Kgl. Preuß. Grenadier-Batl. v. Gaudi, das Kgl. Preuß. Grenadier-Batl. v. Schlieffen, das Kgl. Batl. v. d. Osten 10 . Ende des Monats zogen Teile der Englischen Legion durch. Knibbe [30], Harcke [38], Lüsenhop [39] und Mußmann [11] mußten den Kommandanten der englischen Jäger nach Hannover fahren.
Aufregende Tage erlebte unser Dorf, als Anfang Dezember 1805 russische Truppen in der Amtsvogtei lagen. Mellendorf hatte vom 3. bis 11. Dezember Einquartierung. Am 3. Dezember übernachtete hier ein Bataillon des St. Petersburger GrenadierRegiments. Ihm folgte am 4. ein Bataillon vom 3. Kaiserl. See-Regiment. Es liegt auch noch die Quittung eines russischen „Maiohrs“ bei den Akten, nach welcher er am 22. November (= 4. Dezember unseres Kalenders) mit seinem Bataillon von 690 Mann in „Möllendorf“ übernachtet hat und mit Kost versehen worden ist. Auch 8 Wagen zum Transport der Equipage und des Proviants nach Hannover sind von dem Dorfe gestellt worden. Das ganze Regiment war 44 Offiziere und 1515 Unteroffiziere und Mannschaften stark. So zügig, wie vorgesehen, ging aber der Durchmarsch nicht vonstatten. Der Weitermarsch wird plötzlich gestoppt, und die Russen bleiben bis zum 11. Dezember im Dorfe. Für die Mellendorfer war die Lage schon am ersten Tage kritisch:
„Der Vorrat der Mellendorfer an Brot ist durch die bisherigen häufigen Ein quartierungen so auf gebraucht, daß sie kaum heute reichen würden“,
meldete schon am 3. das Amt nach Hannover. Alle Dörfer, die nicht mit Truppen belegt sind, müssen Brot nach Mellendorf liefern, doch die 1045 Pfund Zuschuß sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Da wird Pastor K r o p zum Retter in der Not:
„An Wohllöbliches Chur-Hannövrisches Amt zu B i ß e n d o rf E i n q u a r t i e r u n g s s a c h e n Wohlgebohrene Herrn, Verehrungswürdige, liebe Freunde, Menschenliebe, sowie das dringende, flehentliche Bitten vieler Mitglieder dieser kleinen Gemeinde macht es mir zur heiligsten Pflicht, mich an Ew. Wohlgebohren zu wenden, und eine Fürbitte für sie einzulegen. Sie kennen die starke Bequartierung, die hier jetzt obwaltet, indem einige über 50 Mann im Hause haben, die sie ernähren müßen, und die wegen der vorgestrigen, ebenfalls starken Bequartierung äußerst drückend geworden ist. Die Leute wißen schlechterdings kein Brod anzuschaffen, denn was gestern geliefert wurde, ist nur eine äußerst kleine Beyhülfe in Rücksicht der großen Anzahl hier eingerückter Rußen gewesen. Mehrere Bauern, nahmentlich der junge Hanebuth im Wietrems- Hofe, haben keine Kartoffeln mehr, und sind deshalb so in Noth, daß, wie sie mir sagten, sie gar nicht wüßten, was sie anfangen sollten, vorzüglich, da es den mehrsten ganz an Geld mangelte. Diesem zufolge ersuchen sie nun Ew. Wohlgebohren, es durch Dero Einfluß möglichst zu bewerkstelligen, daß nicht allein, da die Rußen 3 Tage hier bleiben wollten, ein Theil derselben in benachbarte Dörfer, die die Last der Einquartierung noch nicht gefühlt hätten, verlegt, sondern von den nächsten Aemtern auch ein Zuschuß an Kartoffeln, Fleisch, Brod und Butter erfolgen mögte. Ich für mein Theil werde ohngeachtet ich bey meinem Uebelbefinden nun schon zwey Nächte nicht aus den Kleidern gekommen bin, bereitwilligst des allgemeinen Bestens wegen meine Last tragen, nur meinen unglücklichen Bauern wünschte ich einige Erleichterung. In größter Eile schreibt dieses der, der beständig mit wahrer Hochachtung und Liebe verbleibt, ist Mellendorf, d. 5ten Decbr. 1805 Ew. Wohlgebohren aufrichtiger Verehrer D. G. E. K r o p
P. S. Uebrigens betragen sich hier die Rußen ganz exemplarisch gut.“
Am gleichen Tage war ein schweres Artillerie-Regiment in die Dörfer Elze, Bennemühlen und Hellendorf eingerückt. Die Aktion des tatkräftigen Pastors war nicht vergeblich. Noch am gleichen Tage sandte das Amt ein dringendes Schreiben mit der Bitte um Lebensmittellieferungen an die General-Magazin-Direction in Hannover, und ebenfalls noch am gleichen Tage erteilte das Landes-Deputations-Collegium die erforderlichen Anweisungen. Am 7. Dezember schrieb der Marsch-Commissarius K o c h aus Hannover:
„Oberforstmeister v. D ü r i n g , dem das General-Marsch-Commissariat für die Kays. Russ. Truppen vom Kgl. Cabin. Ministerio aufgetragen worden ist, hat ihm die Versicherung erteilt, daß von jetzt ab die Verpflegung der russischen Truppen aus den eigenen Magazinen der Armee erfolgen und nicht mehr von den Untertanen ge fordert werden soll.“
Die Chefs der Regimenter sind bereits instruiert. „General en Chef“ ist Graf Tolstoi. Verstöße gegen diese Verfügung sollen gemeldet werden. Das Hauptquartier befindet sich in Nienburg. Die russischen Offiziere hatten nach ihren Vorschriften die Quartierwirte aus eigener Tasche zu bezahlen, haben es aber alle unterlassen. So lag in Mellendorf vom 4. bis 11. Dezember der Oberst und Commandeur des 3. See-Regiments mit seinen 3 Reit- und 4 Wagenpferden. Beim Abmarsch aber hat er weder seinen Quartierwirten bezahlt noch ihnen eine Quittung hinterlassen. Vom Obristlieutenant des St. Petersburger Grenadier-Regiments liegt eine Quittung vor. Es war ein Baron v. Rosek. Ebenso bescheinigte General Nevcrososky, daß er für die unter seinem Kommando stehenden Truppen in der Zeit vom 4. bis 11. Dezember im ganzen 10 178 Portionen und 161 Rationen geliefert erhalten hat. Bereits am 16. Januar 1806 hätte der Geschworene Schnehage die Gelder für die von den Russen prompt bezahlten Lieferungen auszahlen können, wenn nicht darüber wieder ein kleiner Dorfkrieg entbrannt wäre. Ehe die Lieferungen aus den Heeresmagazinen einsetzten, hatte er Hornvieh kaufen, es schlachten und an die Hauswirte, die Russen im Quartier hatten, verteilen lassen. Uber die Verrechnung entstand nun ein wenig schöner Streit. — Mellendorf erhielt die nicht unbeträchtliche Summe von 306 rthl. 24 gr. 7 Vs d.
Doch noch einmal zurück zum Dezember 1805! Die Russen blieben nicht die einzigen Gäste. Vom 21. Dezember 1805 bis zum 15. Januar 1806 lag die Englische Legion in der Amtsvogtei Bissendorf, am 4. Januar 1806 z. B. das 2. Linien-Batl. Mellendorf erhielt als Einquartierung 3 Offiziere und 1 Kompanie zu 100 Mann. Vom 20. Januar an bis in den Februar waren von Mellendorf Transporte für das 1. leichte Dragoner-Regiment zu leisten. Ende Januar lagen 8 Escadrons russischer Husaren im Amt Burgwedel ein quartiert. Langehennig, Bätje und Joh. Heinr. Strube aus Mellendorf mußten mit 6 Pferden Russen nach Neustadt fahren. Im Februar lagen in Bissendorf russische Jäger und in Meitze russische Offiziere. Im Frühjahr des Jahres 1806 hatte sich ein Hilfskomitee gebildet, zu Spenden auf gefordert und wollte sie nun den vom Schicksal am schwersten Getroffenen zugute kommen lassen. Deshalb wurden in allen in Frage kommenden Dörfern Erhebungen angestellt, auch in Mellendorf. Besonders betroffen und verarmt war hier in erster Linie Johann Heinrich H a r k e. Er hatte Verluste an Hornvieh zu beklagen, war selbst krank geworden und hatte durch die Kriegerfuhren seine zwei jungen Pferde verloren. Sie hatten einen Wert von 19 Pistolen. Johann P 1 i n k e war durch die vielen Einquar-tierungen seine sämtlichen Kartoffeln und sein Saatkorn losgeworden. Ebenso waren bei Cord Hinrich H a r t m a n n durch oftmalige starke Belegungen sämtliche Früchte aufgezehrt worden. Ohne nähere Angaben, aber ebenfalls als schwer geschädigt und als unterstützungswürdig, wurden bezeichnet: Johann Hinrich W i c h m a n n, Nachtwächter Cord Heinrich S c h m e d e s, Neubauer und Zimmermann S c h m e d e s, der Soldat Otto M ü l l e r , Andreas C r a e s und Gottlieb G o e d e k e. Ob es jemals zu einer Auszahlung der Unterstüzungen gekommen ist, darüber geben die Akten leider keine Auskunft. Bald hatte auch jeder genug mit sich selbst zu tun. Inzwischen hatte nämlich Napoleon am 2. Dezember 1805 die vereinigten Russen und Österreicher bei Austerlitz vernichtend geschlagen. In dem darauf folgenden Vertrage von Schönbrunn vom 12. Dezember hatte er dem Preußenkönig Friedrich Wilhelm Hannover in der Absicht aufgedrängt, ihn mit England zu verfeinden, England aber gleichzeitig die Rückgabe angeboten. Als nun die Preußen in Hannover einmarschierten, erklärte ihm England den Krieg und verhängte über seine Häfen die Blockade. Vor allem aber war es Napoleon gelungen, das Vertrauen zu dem alten Bundesgenossen in den Hannoveranern zu zerstören.
Die einmarschierten Preußen waren in ihren Anforderungen auch nicht gerade bescheiden, und der arme Bauermeister von Mellendorf wußte manchmal wirklich nicht, woher er die verlangten Pferde nehmen sollte. So forderte der Kommandant von Hannover, Brigadegeneral Schramm, bei einer Reise von Verden nach Hannover in Mellendorf nicht weniger als 10 Kriegerfuhrpferde und 6 Postpferde für seine Chaise, außerdem noch 2 Courierpferde 10 . — Hier befanden sie sich aber sicher schon auf dem Abzüge:
„Bissendorf, 23. X. 1806: Die 30 Wagen, die am 19. d. Mon. von der Amtsvogtey nach Burgdorf gestellt worden sind, sind noch nicht zurück. Gestern sind 20 Wagen eben dahin gestellt worden, heute 27 Wagen zum Transport preußischer Bagage nach Zelle erforderlich gewesen, so daß sämtliche Pferde der Amtsvogtey abwesend sind.“
Preußen hatte nämlich im Herbst 1806 Napoleon den Krieg erklärt und war von ihm am 2. Oktober des gleichen Jahres bei Jena und Auerstedt geschlagen worden. 1807 gründete Napoleon aus preußischen Gebietsteilen, aus Braunschweig und Südhannover das Königreich Westfalen mit der Hauptstadt Kassel und setzte seinen Bruder Jerome zum König ein. (1810 wurden noch weitere Teile von Hannover hinzugeschlagen.) Das Land wurde nach französischem Vorbild in Departements, Arrondissements, Districte und Kantone eingeteilt. Die Gemeinden — nunmehr Communen genannt — unterstanden einem Maire, dem ein Maire-Adjount zur Seite stand. In der Commune Mellendorf wurde der bisherige Fehmgeschworene Schnehage als Maire und der Bauermeister Wolleben als Maire-Adjount übernommen. Sie gehörten zum Canton Bissendorf, dem District Celle und dem Departement Aller.
Eine Ehestiftung begann jetzt nicht mehr mit den Worten: „Im Namen der Hochheiligen Hochgepriesenen Dreyeinigkeit . . sondern: „Wir, Hieronymus Napoleon, durch die Gnade Gottes und durch die Constitutionen König von Westphalen, Französischer Printz, allen Gegenwärtigen und Zukünftigen Unsern Gruß zuvor! . .?.“
Es war durchaus nicht alles schlecht, was die Franzosen einführten. So wurden durch den „Code Napoleon“ die ständischen Unterschiede beseitigt und die Gleichheit aller vor dem Gesetz geschaffen. Die wenigen noch hörigen Bauern erhielten die Freiheit, die Gutsuntertänigkeit wurde aufgehoben, die Frondienste hörten auf, die Freiheit der Gewerbeausübung wurde eingeführt u. v. a. Die kleineren Besitzer erhielten wieder Land aus der Gemeinheit angewiesen, auch hier in Mellendorf. Solche „Ausweisungen“ aus dieser Zeit werden in den Akten wiederholt erwähnt, ausführlich in den Archivakten der Kreisverwaltung. Da der Inlandmarkt durch die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre vom Bezug englischer Baumwolle abgeschnitten war, fand der Bauer guten Absatz zu steigenden Preisen für sein selbstgesponnenes Leinen. Dem allen standen aber bedeutende Nachteile gegenüber. Die Kontinentalsperre verhinderte auch die Ausfuhr von Getreide. Deshalb sanken infolge des Überangebotes die Getreidepreise spürbar. Die sogenannten „Kolonialwaren“, wie Kaffee, Kakao, Rohrzucker, Tee, Gewürze, Reis und Südfrüchte dagegen, zogen empfindlich in ihren Preisen an.
Schwer lasteten auch die neu eingeführten Steuern auf dem Lande. Besonders verhaßt war die „Conscription“, die zwangsweise Rekrutierung für die Franzosen. Viele junge Männer entzogen sich ihr, indem sie den heimlich durch das Land eilenden englischen Werbern für die „Englisch-Deutsche Legion“ folgten, die sie über Helgoland nach England brachten. König Georg III. hatte nämlich gleich nach der Kapitulation von Artlenburg die Gründung einer Truppe angeordnet, die nur aus Deutschen, vornehmlich aber Hannoveranern, bestehen sollte. Ihr Ruhm ist in die Geschichte eingegangen. In Hannover erinnert die „Talaverastraße“ noch heute an einen ihrer bekanntesten Siege. Auch Mellendorfer folgten dem Ruf zur englischen Fahne, obwohl die Todesstrafe darauf stand: Es waren die Brüder Johann Heinrich und Hans Heinrich Otto F l i n k e aus Nr. 5 20, ein P r i e s aus Nr. 49 21, Sergeant W e i b g e n (Nr. 32) und Johann Hinrich Rudolf S t r u b e aus Nr. 17 (22). Im Jahre 1807 legten die Franzosen eine Zwangsanleihe auf. Nach welchem Schlüssel die Verteilung erfolgte, ist nicht zu durchschauen:
Plumhof 500 rthl. — gr. Gailhof 37 rthl. 12 gr. Schadehop 250 rthl. — gr. Bissendorf 112 rthl. 12 gr. Bissendorf, Ehlermann 2000 frs. = 375 rthl. — gr. Resse 37 rthl. 12 gr. Wichendorf 37 rthl. 12 gr. Ickhorst 37 rthl. 12 gr. Mellendorf 37 rthl. 12 gr.
Über drei Viertel dieser Beträge wurden 1820 den Zeichnern hannoverscher Obligationen ausgestellt. Mellendorf war in allen diesen Jahren Etappenort geblieben. Als aber nur noch selten Kriegerfuhren angefordert wurden, blieb die Last allein auf Mellendorf liegen. Vielleicht wurde es zum Ausgleich dafür bei der Zwangsanleihe so niedrig eingestuft. Seit 1808 griffen die Engländer Napoleon mit der Englischen Legion in Portugal und Spanien an. Ob aus diesem Grunde Truppen aus dem Königreich Westfalen abgezogen wurden? Einige Aktennotizen lassen darauf schließen:
„1808, V. 2. Seit längerer Zeit findet eine starke Militair Passage aus den Fürsten- thilmern Bremen und Verden über Essel und Mellendorf nach Hannover statt. In Mellendorf werden die Pferde gewechselt. Bisher wurden sie von Mellendorf allein gestellt. Nun haben die Sommerarbeiten begonnen. Deshalb müssen andere Orte auch dazu herangezogen werden. Es ist u. a. notwendig, daß wieder eine Krieger fuhre mit 2 Pferden ständig in Mellendorf in Bereitschaft gehalten wird.“ An einer anderen Stelle heißt es von dem gleichen Jahre: . . so lange der j e t z i g e K r i e g dauere . . “
und noch woanders:
„Die Geldnot ist auf das Höchste gestiegen. Mehrere Contribuenten senden statt der Steuergelder Silberzeug ein.“ 1809 lebt wegen der Kriegerfuhren „im jetzigen Kriege“ der alte Streit zwischen den Besitzern der größeren und kleineren Höfe wieder auf. Es waren schwere Jahre, aber trotzdem nahm das bürgerliche Leben weiter seinen Verlauf. Der Bauer bestellte, wenn auch mit Schwierigkeiten, seinen Acker. Die Kirche ließ notwendige Bauten und Reparaturen ausführen. Um eine Wasserableitung für die Pfarre zu schaffen, war schon 1803 — trotz der Besetzung durch die Franzosen — ein 14 Fuß (= 4,074 m) tiefer Schacht durch die „Potterde“ in den Triebsand gegraben worden, wo das Wasser dann versickerte. Da die Befriedigung am „Pfarrkamp“ total verdorben war, eine neue aber zu teuer gekommen wäre, war noch im gleichen Jahre ein Erdwall von über 500 m Länge aufgeworfen worden. Im folgenden Jahre hatte man aber auch das Plankwerk und den Schlagbaum am „Pfarrkamp“ in Ordnung gebracht. Die Kirche scheint also noch über Mittel verfügt zu haben. 1807 wurde von Johann Friedrich Klingemeyer , der damals sein Gehöft noch gegenüber von der heutigen Berufsschule stehen hatte, durch Tausch ein Streifen seines Grashofes erworben und der Weg durch den „Gilborn“, der bisher ein Bohlenrost auf 56 Pfählen gewesen war, ausgedämmt und verbreitert.
1811 wurde, vielleicht schon als Vorbereitung für Napoleons Rußlandfeldzug — Mellendorf gehörte ja seit 1810 auch zum Königreich Westfalen —, ein neuer Kriegerfuhrenkataster aufgestellt, und zwar nach dem Fuße der Kontribution und der von den Franzosen eingeführten Grundsteuer 32. Nach diesem betrug die Anzahl der zu stellenden Pferde für
die Commune Abbensen 23 die Commune Bissendorf 46 die Commune Brelingen 26 3 /4 die Commune Elze 48 1lt die Commune Hellendorf 27 3/4 die Commune . . . die Commune Mellendorf 27! usw.
Die Mellendorfer wären glücklich gewesen, wenn es dabei geblieben wäre! Erhöhte Lasten ergaben sich schon wieder, als Napoleon 1812 seinen Feldzug nach Rußland unternahm. Auch ihren Blutzoll haben Mellendorf und seine Nachbarschaft entrichtet: Andreas Heinrich Q u e r f e l d , der Sohn des Mellendorfer Maurermeisters Heinrich Querfeld, hatte den Zug nach Rußland bei der 6. Compagnie Garde mitgemacht und starb im Frühjahr 1812 im Lager Mosaik. Cord Hinrich S c h m e d e s aus Nr. 1 war als westfälischer Soldat mit nach Rußland marschiert. Noch im April 1818, als sein jüngerer Bruder heiratete, war von seinem Leben oder Sterben keine Nachricht vorhanden, so daß der jüngere Bruder die Koth- stelle seines Vaters übernahm. Johann Friedrich M o h l f e l d aus Wennebostel hatte ebenfalls als westfälischer Soldat den Feldzug nach Rußland mitgemacht und war nicht zurückgekehrt. Da die Eltern keine weiteren Kinder hatten, schenkten sie ihre Kothstelle in Wennebostel dem Brautpaar Jürgen Heinrich Biester aus List und Catharine Dorothee Mohlfeld in Mellendorf, denen der Brautvater, Posthalter Johann Ludewig Mohlfeld in Hademstorf, den 1819 von ihm erworbenen Schnehagenschen Hof Nr. 15, der hier als Halbmeierhof bezeichnet wird, überläßt.
Im ganzen betrugen die Unkosten, die Mellendorf in den Jahren 1803 bis Anfang 1813
durch die Kriegsereignisse gehabt hat, 4 750 rthl., die sich wie folgt zusammensetzen:
- Kriegskontribution 1 342 rthl. - Sonstige bare Geldrequisitionen 53 rthl. - Victualien 230 rthl. - Fourage (rauhe und glatte), Stroh 980 rthl. - Pferde 5 rthl. - - Einquartierungskosten 556 rthl. - Lieferung und Leistung, auch Lazarettkosten 1 294 rthl. - Tafel- und Indemnisationsgelder 290 rthl. 4 750 rthl.
Als das siegreiche neue Deutsche Reich sich 1871 auf den Friedensschluß mit Frankreich vorbereitete und dem geschlagenen Gegner eine Kriegsentschädigung aufzuerlegen gedachte, wurden alle hannoverschen Ämter aufgefordert, die „Franzosenschäden“ aus der Zeit von 1803 bis 1813 zusammenzustellen und einzureichen. Da begann alsbald ein eifriges Durchwühlen der Aktenablagen und Archive nach den Schadensmeldungen von dazumal, und die obige Zusammenstellung ist das Ergebnis dieser Maulwurfsarbeit. Ob die Nachkommen von den seinerzeitig Geschädigten tatsächlich etwas von der Kriegsentschädigung abbekommen haben, oder ob man das eigentlich etwas absurde Vorhaben wieder fallen gelassen hat, war nicht festzustellen.
Man kann sich denken, mit welchen Gefühlen auch die Mellendorfer die Nachricht vom Zusammenbruch des napoleonischen Feldzuges aufgenommen haben werden. Es wird erzählt, daß der Besitzer des Wietrem-Hofes — es kann sich nur um Cord Hinrich Hanebuth handeln — auf dem Scherenbosteier Berge mit dem Peitschenstiel auf die abziehenden Franzosen eingeschlagen und dabei ausgerufen haben soll: „Jetzt wird es aber anders!“ Ja, es wurde anders, aber nicht so, wie es sich alle gewünscht hatten! Mehrere Jahre bitterer Ent-täuschungen standen ihnen noch bevor. Zuerst ging alles gut. Bereits am 15. März war der russische General Tettenborn in Lauenburg eingezogen. Es erfolgte die Aufstellung von Freikorps. In erbittertem Kampf befreite General v. Dörnberg am 2. April Lüneburg. In Nordhannover wurde eine hannoversche Armee aufgestellt, deren Kern Teile der „Englisch-Deutschen Legion“ bildeten. Zusammen mit der „Russisch-Deutschen Legion“ wurde sie dem Grafen Wallmoden unterstellt. Die Amtsvogtei Bissendorf lieferte am 22. April 1813 für die in Bergen stationierten Kosaken
- an Fourage 1 113 Rationen Hafer à 6V2 Pfund, - 461 Rationen Heu à 17 1 /s Pfund, - ferner 300 Portionen Brot à 2 1/2 Pfund und - 200 Portionen Fleisch à 1/2 Pfund.
Mellendorf war an diesen Lieferungen mit - 50 Hbt. Hafer, - 60 Bund Heu à 20 Pfund und - 120 Bund Stroh beteiligt.
Obwohl die Russen keine gültigen Quittungen ausgestellt hatten, erhielten die liefernden Gemeinden nach 7 Jahren ihre Bezahlung, Mellendorf z. B. 31 rthl. 8 gr. 4 d Cassenmünze = 34 rthl. 17 ggr. Conventionsmünze. Napoleon war es inzwischen gelungen, mit seinen neu aufgestellten Armeen die Verbündeten in mehreren Gefechten und Schlachten zu besiegen und zum Rückzug nach Schlesien zu zwingen, wo es zum Waffenstillstand von Poischwitz (4. VI.— 10. VIII. 1813) kam. Da ein Vermittlungsversuch Österreichs scheiterte, begann der Kampf von neuem. England, Schweden und Österreich waren dem preußisch-russischen Bündnis beigetreten. Napoleon hatte seine Hauptstreit-kräfte um Dresden konzentriert. Die Verbündeten bildeten 3 Armeen, von denen uns nur die Nordarmee interessiert. Sie bestand aus preußischen, russischen und schwedischen Truppen und stand unter dem Oberbefehl des schwedischen Kronprinzen Bernadotte, eines ehemaligen Marschalls von Napoleon. Nach der Schlacht bei Leipzig (16.— 19. Oktober 1813) folgten die drei siegreichen Armeen dem geschlagenen Franzosenkaiser nach Westen, wobei die Nordarmee durch unsere Gegend marschierte.
Das General-Fuhrcommissariat organisierte das Kriegerfuhrwesen von neuem. Es sollte wieder wie 1803 unter den Franzosen eingerichtet werden. Etappenorte wurden Hannover, Essel, Neustadt a. Rbge., Schillerslage, Celle, Burgdorf und Uelzen. Es gab Relaisfuhren zwischen zwei benachbarten Etappenorten, aber auch längere Reisen, die sich über mehrere Tage erstreckten. Da sich die Strecke Hannover— Essel als zu lang erwies, wurde auch Mellendorf wieder Etappenort. Die Dörfer der Amtsvogtei Bissendorf waren den Etappen Mellendorf, Hannover, Celle und Schillerslage zugeteilt. Der Schriftwechsel des Amtes mit dem General-Fuhrcommissariat beginnt mit dem 5. November, doch müssen auch schon vorher Dienste geleistet worden sein. Das Amt hatte gebeten, seine Untertanen nur e i n e m Etappenort zuzuweisen, aber der Antrag war abgelehnt worden. Schon im ersten Schreiben führte Bissendorf Beschwerde darüber,
daß seit 14 Tagen 100 Pferde widerrechtlich bei der Nordarmee von den Schweden festgehalten werden. Dasselbe geschah mit weiteren 48 Pferden, die Fourage nach Uelzen gefahren hatten, aber dort seit dem 1. November nicht losgelassen werden. Ihre Rückkehr ist gänzlich ungewiß.Nach Abzug dieser und der nach Mellendorf eingeteilten Pferde stehen für die Etappe Hannover im Amt nur noch 80 bis 90 Pferde zur Verfügung. Aus einer der provisorischen Regierung in Lüneburg zugestellten Beschwerdeschrift erfahren wir weiteres über die oben genannten Pferde. Bis zum 9. Dezember sind nach und nach 80 bis 90 Pferde zurückgekehrt. Sie haben alle über 14 Tage dienen müssen und mußten mit schwerem Gelde losgekauft werden, damit sie überhaupt frei kamen. Sie kamen so abgetrieben zurück, daß man befürchtet, der größte Teil von ihnen wird krepieren. Die noch weiter zurückgehaltenen Pferde könnten wohl ganz abgeschrieben werden, und die zurückgekehrten sind auf mehrere Wochen völlig dienstuntauglich.
(Anfangs des Krieges schien man noch sehr naive Vorstellungen zu haben.) Der Schaden für die Untertanen wäre deshalb besonders groß, weil sie sich hauptsächlich von der Pferdezucht ernährten und die ruinierten und zurückgehaltenen Pferde fast alle Zuchtstuten wären.
„… es ist nur eine Stimme darüber, daß das Elend, welches die Fuhrleute in jener Zeit haben erdulden müssen, unerträglich gewesen sei, indem die meisten weder für sich, noch für ihre Pferde Unterhalt bekommen. Nur diejenigen, die hinlänglich mit Gelde versehen gewesen oder zufällig bey einen Offizier kamen, wo Mitleid mit ihrem Zustande hatte und für sie sorgte, waren imstande auszuhalten. Denen es nicht so gut ward und die dazu schwächlicher Gesundheit waren, mußten, um nur s i c h zu retten, die Pferde verlassen.“
So berichtete der Bissendorfer Amtsvogt am 2. Februar 1814 über die Verluste bei der Kgl. Schwedischen Armee im November 1813. Aber zurück zum November 1813! Am 30. November schreibt das General-Kriegs-Kommissariat in Hannover an das Amt Bissendorf:
„Zum Transport von 50 000 Portionen, 20 000 Rationen und 200 000 Pfund Schiffszwieback, welche der Armee von Celle bis Lüneburg nachgeführt werden müssen, ist eine bedeutende Anzahl Kriegerfuhren nötig. Der Transport ist für die Bewegungen der Armee von äußerster Wichtigkeit . ..
Amtsvogt Elderhorst ist es beim besten Willen nicht möglich, den Anforderungen dieses Schreibens im vollen Umfange nachzukommen. Ihm stünden nur 216 Pferde zur Verfügung, 100 davon wären noch nicht zurück oder völlig abgetrieben. Die Fahrt nach Uelzen dauere inkl. Auf- und Abladen 6 Tage. Am nächsten Tage liegt schon wieder eine Anforderung aus Hannover vor:
„Aus dem Amt Bissendorf sind auf den 3., des Morgens praecise 5 Uhr vor dem Landschaftshause 14 vierspännige Wagen, und auf den 3. des Abends 4 vierspännige Wagen, auf den 4., . 5., 6. und 7. jeden Tag 10 vierspännige Wagen, mit 2tägiger Fourage versehen, zu stellen.“ Eiderhorst antwortet am 9. Dezember u. a.: „Zur Verfügung stehen z. Zt. 220 Pferde. Diese können aber auch nicht mehr viel leisten, da sie durch die seit 10 Tagen stattfindenden Fourage -Fuhren von Celle nach Uelzen und Lüneburg insgesamt abgetrieben sind. Von diesen Pferden müssen außer den unzähligen extraordinären Kriegerfuhren zu Schillerschlage, Celle und Mellendorf täglich 12 Pferde zum Relais in Schillerschlage gestellt werden, so daß die Pferde fast immer sämtlich auf Kriegerfuhre sind und oft nicht einmal einen Tag Ruhe haben. Vom 1. bis 10. des Monats sind über 900 Pferde aus dem Amte verlangt, eine Forderung, die freilich nicht realisiert werden kann, woraus aber doch der unerträgliche Druck der Untertanen hervorgeht.“
Er bittet um Ermäßigung der Anforderungen und prophezeit, daß in wenigen Wochen alle Pferde krepiert sein würden. Es ist inzwischen ein „Regulatif sämmtlicher Fuhr Districte“ aufgestellt worden. Über die Neureglung ist folgendes zu ersehen: Das Amt Bissendorf verfügt jetzt über 320 Pferde. Davon dienen a) auf der Etappe Celle 218 Pferde b) auf der Etappe Mellendorf 50 Pferde c) auf der Etappe Schillerschlage 52 Pferde. Zu der letztgenannten Etappe waren aber noch 7 Dörfer aus dem Amt Neustadt a. Rbge. mit 163 Pferden eingeteilt. Der z. Z. lebenden Generation ist es aus zwei Kriegen bekannt, daß es in Zeiten, wo an die Opferwilligkeit des einzelnen die höchsten Anforderungen gestellt werden, auch niedrige Kreaturen gibt, die anstatt Opfer zu bringen, persönliche Vorteile für sich herausschlagen wollen. 11. XII. 1813 Protokoll:
„Vor dem Amt erscheint Johann Hennig Martens. Er wäre mit dem Sohn des Einwohners Johann Hinrich Vortmüller aus Brelingen mit einem zweispännigen Wagen zur Kriegerreise nach Celle gewesen und habe daselbst am 6. d. Mon. Fourage nach Ülzen geladen. Mit noch zehn anderen Wagen sei er von Celle abgefahren und am 7. spät abends in Ülzen angekommen. Als sie abgeladen hatten und zurückfahren wollten, hätten sie die aus Celle mitgekommenen Aufseher nicht fahren lassen, sondern für jeden Wagen 1 Thaler verlangt, sonst hätten sie gleich weiter Brot fahren müssen. Die Namen der Aufseher wären ihnen nicht bekannt.“
Amtsvogt Elderhorst gibt das Protokoll an den Amtsschreiber in Celle weiter. Der betrügerische Aufseher wird ermittelt und zur Anzeige gebracht. Es scheint aber nichts Ernstliches gegen diese Subjekte unternommen worden zu sein, denn ein Bericht des Amtes Bissendorf vom 19. Dezember stellt die Klagen über „Mißbräuche, Excesse und Bedrückungen“ zusammen: „1) Die Unterthemen werden zu immer neuen Fuhren gezwungen. Sie müssen sich loskaufen, sonst wird ihnen angedroht, daß sie bis Lüneburg und weiter fahren müßten. 2) Mehr als 6 Tage Fourage können sie nicht mitnehmen. Sie werden bei der Fourage-Ausgabe betrogen. 3) Die Ladung wird ihnen in Celle nicht aufgezählt. Was bei der Ankunft fehlt, müssen sie bezahlen. 4) Die Aufseher verlangen von den Fahrern Bezahlung für ihre Nachtwachen.“ Endlich gelingt es, den Namen eines solchen Aufsehers zu ermitteln. Protokoll v. 19. XII. 1813: Es erscheint Friedrich Strube aus Mellendorf.
„Er ist am 6. d. Mon. mit seinem vierspännigen Wagen in Celle angekommen, hat am 7. zu Bähre, bey Celle, Fourage laden müssen, womit er am 8. von Celle abgefahren und am 9. mittags um 11 Uhr bei dem Magazin von Ülzen angekommen. Nach dem Abladen habe man ihn nicht entlassen, sondern er sey mit mehreren Wagen des Transports in Ülzen hineingebracht, und wären sie sämtlich in den Wirtshaus zum „Weißen Roß“ einlogiert. Man habe ihnen dabey eröffnet, daß sie den folgenden Tag Brod laden und solches nach Lüneburg bringen sollten. Er habe sich hierauf an einen gewissen M. . . ., der aus Langenhagen gebürtig und zu Ülzen entweder bey dem Magazin oder bey dem Fuhrwesen angestellt sey, gewandt und um Entlassung gebeten. Dieser habe ihm denn auch die Entlassung versprochen, wenn er es auf ein Trinkgeld nicht ansehen wolle. Er habe demselben darauf 2 rthl. gegeben, von ihm eine Entlassungsbescheinigung erhalten, und sey den 13. aus Ülzen herausgefahren und nach Mellendorf zurückgekehrt. Die übrigen Wagen hätten sich auch zum Theil losgekauft, er wisse aber nicht, wie viel sie bezahlt hätten. Die Aufseher, die von Celle mit dem Transport gesandt worden, hätten sie nach dem Transport gezwungen, in Ülzen hineinzufahren. Die Wahrheit seiner Aussage könne er beschwören, auch können solche der Einwohner Pinckvoß und Johannes Haase in Wennebostel, die bei dem Loßkaufen zugegen gewesen, bezeugen.“
Für den 18., 19. und 20. Dezember mußten vom Amt Bissendorf wieder 10 vierspännige Wagen zum Zwiebacktransport von Celle nach Ülzen gestellt werden. Am 23. wird ihm bescheinigt, daß es durch seine tätige Mitwirkung gelungen ist, beträchtliche Magazine für die Nordarmee wegzuschaffen. Mit dieser Anerkennung ist aber schon wieder eine neue Anforderung verbunden: 360 Wagen für Getreidevorräte, die vom 25. Dezember bis 6. Januar aus dem Calenbergischen hier eintreffen und nach Eschede geschafft werden müssen. Ebenfalls sollen morgen in 4 bis 5 Transporten statt 60 nunmehr 120 Wagen mit Monturen und Waffen zur Beförderung nach Schillersschlage hier ankommen. Die Amtsvogtei Bissendorf hat täglich vom 25. Dezember bis 6. Januar jedesmal abends um 6 Uhr sechs vierspännige Fuhren, gesammelt unter einem Aufseher, zu stellen. Beim Amt gehen jetzt solche ungeheuren Fuhrrequisitionen ein, daß es ihm einfach unmöglich ist, ihnen nachzukommen. In einem Schreiben an das Gen.Kr.Commissariat werden noch einmal alle bisherigen Leistungen zusammengefaßt :
„1) Vom 1. bis 20. Dezember täglich 4 vierspännige Wagen nach Celle, die teils nach Ülzen, teils nach Lüneburg Magazingegenstände gefahren und zu jeder Reise 6 — 8 Tage gebraucht haben. 2) Am 21. 10 viersp. Wagen nach Celle zu dem gleichen Zweck, die bis Ülzen fahren und 6 Tage Zeit gebrauchen. 3) Am 17. u. 18. des Mon. 34 Pferde bei dem Durchmarsch russischer Truppen von hier bis Neustadt, die 2 Tage Zeit brauchten. 4) Am 19. d. Mon. 28 Pferde für den Transport der Bagage Sr. Kgl. Hoheit des Herzogs von Cambridge von Mellendorf nach Hannover. 5) Vom 1. bis 31. Dezember täglich 10 zweispännige Wagen zum Relais nach Schillersschlage. Zu diesen Fuhren sind meistens 3, oft aber auch 4 — 5 Tage nötig. 6) Gestern und heute (23.) sind außerdem noch angefordert: a) von der Fuhr Station Schillersschlage 1) auf den 24. Dez. 12 vierspännige Wagen, die Militär -Effekten nach Hannover bringen sollen, 2) auf den 26. Dez. 32 viersp.Wagen zu Magazinfuhren nach Celle. b) Von der Fuhrstation Celle vom 25. d. Mon. bis 6. Januar täglich 6 viersp. Wagen zum Magazintransport nach Eschede. c) Für Mellendorf am 24. Dez. 32 viersp. Wagen zum Transport von Militäreffekten, die von Essel kommen und nach Hannover gehen.“
Außerdem müssen stets eine Anzahl Pferde für den Courier-Wechsel in Mellendorf in Bereitschaft stehen. In einem Promemoria vom 28. Dezember weist Hausvogt Schäfer in Wennebostel noch einmal die Unmöglichkeit nach, allen Anforderungen zu genügen. Erwähnt werden darin die täglichen starken Militärtransporte durch Mellendorf. Dort wird auch in den nächsten Tagen ein Transport von der Küste mit Militäreffekten erwartet, wozu allein wieder 130 bis 150 Pferde benötigt werden. Am 8. Dezember 1813 war durch die „Instruction des Kriegerfuhrwesens“ dieses auf eine neue Grundlage gestellt worden. Aus den Ämtern Bissendorf, Burgwedel, Burgdorf und der Hälfte von Meinersen hatte man einen „Fuhr-District“ Burgdorf geschaffen. Nach dieser Neuorganisation war in Mellendorf keine Etappe vorgesehen. Der erste Pferdewechsel nach Hannover sollte erst in Essel erfolgen. Trotzdem verlangten die durchreisenden Soldaten in Mellendorf vom Bauermeister neue Pferde. Schon am 29. Dezember erfolgte deshalb eine Beschwerde an das Generalkriegs-Commissariat. Am 5. Januar 1814 meldet das Amt wieder, daß die auf der Straße nach Stade mit Kriegerfuhren abgehenden Militärpersonen nicht bis zur nächsten Station nach Essel fahren, sondern gewöhnlich in Mellendorf umspannen wollen und durch Mißhandlung des Bauermeisters die Umspannung erzwingen. Es folgt die Bitte um Abstellung dieses Mißstandes. Daraufhin erhalten Geschworene und Bauermeister am 8. Januar zu ihrer Legimitation eine Abschrift des Erlasses des Gen. Kr. Commissariat. Wie wir noch sehen werden, war ihnen nicht viel damit geholfen. Am 14. Januar wurde angekündigt, daß in wenigen Tagen die 25 000 Mann starke schwedische Armee durchziehen werde und deshalb die Gestellung vieler Pferde erforderlich sei. Die Untertanen sollten ihre Pferde zu Haus behalten. Der Durchmarsch beginnt dann auch Anfang Februar und erfolgt wohl hauptsächlich auf der Straße Celle— Schillersschlage— Hannover, aber das Amt Bissendorf hatte viele Fuhren dorthin zu stellen, für den Transport von Bernadottes Hauptquartier allein 200 Pferde. Auch das Lützowsche Freicorps passierte am 4. Februar Schillersschlage. Am 6. März sieht sich der Bauermeister von Mellendorf zu nachstehender „Unterthänigsten Vorstellung und Bitte“ an den Amtsvogt gezwungen:
„Hochbekanntlich ist die hiesige Dorf schäft seit längeren Jahren ein Etappen-Ort gewesen, weshalb fast all- und jeden Militärs, welche die hier durchführende Straße paßieren, hier auch ein Nachtquartier angewiesen wird und die daher auch fast be ständig Fuhren oder Reitpferde bedürfen. Ebenso verhält es sich mit den so häufigen Kriegerfuhren. Früher war hier daher auch eine förmliche Fuhrstation, wo beständig Pferde in Bereitschaft standen, um die Militärs geschwinder fortschaffen zu können, welches auch selbst unter der Westphälischen Verfassung beibehalten wurde. Die Königliche Regierung zu Hannover hat zwar, nach demjenigen, was Ew. Wohlgeboren dem hiesigen Geschworenen darüber zuzusenden die Güte gehabt haben, verfügt, daß das Militair hier keine Pferde und Fuhren erhalten, sondern von Hannover nach Essel und umgekehrt von Eßel nach Hannover fahren sollen. Ich wage es nicht geradezu zu behaupten, daß diesem oftmahlen die pure Unmöglichkeit entgegen-stehet und die Pferde der bekannten schlechten Wege wegen oft schon ganz ermüdet und abgemattet sind, wen sie hierkommen; allein daß ist unläugbar gewiß, daß das Militär sich in diesen Fällen an jene Höchste Verfügung nicht kehren, sondern mit Ungestüm und Androhung von Mishandlungen, die auch schon mehrmal zur Wirklichkeit übergegangen sind, hier Pferde und Fuhren verlangen und ihnen daher gegeben werden müssen, wovon Ew. Wohlgeboren sich durch die im Laufe dieses Jahres und vorzüglich von den letzten beiden Monaten eingereichten Fuhrverzeichnisse gewiß überzeugt haben werden. Die hiesige ohnedem verarmte und mit täglichen Einquartierungen belastete Dorfschaft vermag aber dieses einseitig nicht länger auszuhalten und oft weiß ich auch aus selbiger die Pferde und Fuhren nicht anzuschaffen, welche verlangt werden und bin daher in der täglichen Gefahr, abgeprügelt zu werden und meine Gesundheit zu verlieren. Ueberdem ist solches eine Last für mich, wobei ich gänzlich zu Grunde gehen und verarmen muß, da ich mich der vielen Requisitions wegen keinen Augenblick von Haus entfernen und meine häuslichen Arbeiten besorgen oder meinen Acker bestellen darf. Nicht einst zu bedenken, daß ich noch oben darein bedeutende Kosten davon habe, indem fast jeder Militair, wenn er auch nur einen Bothen haben will, Schnaps und etwas zu Essen verlangt.
Ich kann daher von des Morgens bis an den späten Abend nichts thun als Kriegerfuhren und Pferde bestellen, für welches alles mein kleiner auf die jetzigen Zeiten nicht berechneter Gehalt von 27 mgr. jährlich durchaus keine Entschädigung ist. Ew. Wohlgeboren bitte ich daher ganz gehorsamst, es höheren Orts gewogentlichst zu bewürken, daß der hiesigen Dorfschaft wegen der häufigen Kriegerfuhren, eine benachbarte Commune zu Hülfe gegeben und die Einrichtung getroffen würde, daß hier täglich 4 Pferde in Bereitschaft stehen und mir wegen der dieserhalb so überhäuften Arbeiten, Mühe und baren Auslagen eine monatliche Entschädigung von wenigstens 2 rthl. vom Anfänge dieses Jahres an gnädigst bewilligt werden möge. Mellendorf den 6ten Merz 1814 Philipp Wolleben Bauermeister“
Noch am 22. des gleichen Monats berichtet der Amtsvogt:
„Die Pferde kommen wegen der schlechten Wege so abgetrieben an, daß sich die Militärs nicht an die schriftliche Anweisung des Amtes kümmern, sondern den Bauermeister mit Gewalt, oft mit Schlägen, zur Ablösung zwingen. Die ohnedem so sehr durch die Einquartierung der durchmarschierenden Truppen belastete und an sich arme Dorf schäft Mellendorf leidet unsäglich hierdurch, ja, das ganze Amt wird dadurch praegraviret, da die Fuhrstation Burgdorf und Schillersschlage auf die in Mellendorf zu stellenden Fuhren keine Rücksicht nimmt, sondern seine Requisitionen nach der Pferde Anzahl des ganzen Amtes berechnet . . .“
Es folgt die Bitte, in Mellendorf wieder eine Fahrstation aufzustellen und ihr den 3. Teil des Amtes zur Leistung der Kriegerfuhren beizulegen. Die Geschäfte des Fuhraufsehers könnte der dortige Bauermeister übernehmen. Es wird eine Vergütung von 4 bis 5 rthl. monatlich vorgeschlagen. Die Truppentransporte reißen nicht ab. Ende März ist die Schiffsbrücke zu Celle eingesunken. Die Transporte von Eschede nach Hannover werden über Winsen nach Bissendorf umgeleitet. Bissendorf muß den erhöhten Anforderungen genügen. Auf der Etappe Schillersschlage haben sich wieder bedauerliche Mißstände eingeschlichen. Hausvogt Schäfer sendet am 24. 3. ein umfangreiches Pro Memoria ab. Die Bauern in Schillersschlage übernehmen Lohnfuhren, fordern aber unerhörte Preise. Ende April sind von den 43 Mellendorfer Pferden 16 bereits völlig dienstuntauglich. Unter den 43 sind aber auch schon die 2- und 2 1/2jährigen Pferde mitgezählt, die für Kriegerfuhren gar noch nicht tüchtig sind. Im Mai erfolgen wieder Durchmärsche der schwedischen Armee, Mitte Juli Kgl. preußischer Truppen. Aus einer von H. Dedecke, Bissendorf, verfaßten
„unterthänigsten Vorstellung und Bitte“
aller Kriegerfuhrpflichtigen der Amtsvogtei Bissendorf vom 2. September 1814 geht noch einmal die drückende Last der Kriegerfuhren hervor. Aus dem langen Schriftstück können nur einige Stellen wiedergegeben werden:
„Vor Einführung der Westphälischen Verfassung mußten wir zur Etappe Hannover dienen und nach Einführung derselben wurden wir theilweise zur Etappe Celle und Burgdorf gelegt, so daß wir in einem Zeitraum von 5 bis 6 Jahren wöchentlich ge dient und oft mehrere Pferde in einer Woche gestellt haben oder dafür die Summen von 2 bis 3 rthl. bezahlen mußten. Diese unsere Kräfte übersteigende Lasten wurden noch beym Marsch der Königl. Schwedischen Truppen dadurch ungemein vergrößert, daß wir auf der nächsten Etappe nicht wieder entlassen, sondern vielmehr gezwungen wurden, die Armee zu den Orten ihrer Bestimmung zu begleiten und dadurch 6 — 7 Wochen von Haus entfernt waren, ja viele unter uns nicht einst ihre Pferde wieder zurückerhalten haben, sondern solcher beraubet worden sind.
Als ein besonderes Glück war es anzusehen, wenn wir in Lüneburg oder Ülzen entlassen wurden, zu welchen Touren doch immer 8 — 10 Tage verloren gingen, und kaum waren wir zu Haus, so wurden wir schon vom neuen zum Dienste aufgefordert, und so hat es fast den ganzen Sommer durch gegangen . . . Unsere getragenen Lasten sind in der Kürze sehr leicht zu schildern, wenn wir nur gehorsamst bemerken: d a ß w i r a l l e g r o ß e n A r m e e n auf ihren resp. Hin- und Rückmärschen mit transportirt haben. Noch bey dem neuerlichen Durchmarsch der Königl. Preußischen Truppen, wozu wir mehrere hundert Pferde gestellt haben, wurden wir großtentheils zu Celle nicht einst abgelöset, sondern vom dasigen Fuhrcommissariat gezwungen, bis zum zweiten Nachtlager zu fahren, wodurch wieder ein bedeutender Nachtheil für uns entstand, um so mehr, da wir uns auf solche langen Touren mit Fourage, Geld und Lebens mittel nicht versehen hatten . . .“
Auch in den Jahren 1815 und 1816 war Mellendorf wieder Fuhrstation, leistete auch selbst wieder bedeutende Kriegerfuhrdienste. Hatten die älteren Mellendorfer durch ihre Kriegerfuhren mit zu dem großen Befreiungswerk beigetragen, so war die männliche Jugend zu den Waffen gerufen worden. Nicht alle waren zurückgekehrt. ..."
Militärwesen im Kurfürstentum Hannover
"Bis ins 16. Jahrhundert bestand das militärische Aufgebot aus der Lehnsmiliz, also der zum militärischen Dienst verpflichteten Ritterschaft, und dem Heerbann, das heißt, Teilen der Landbevölkerung. ... Seit dem Aufkommen der Feuerwaffen im 15. Jahrhundert wurden zunehmend Söldnerheere eingesetzt, die jeweils für einzelne Kriege verpflichtet und anschließend wieder aus dem Dienst entlassen wurden. ... Stehende Truppen gab es bis ins 17. Jahrhundert nur in sehr geringem Umfang. Lediglich die herzoglichen Leibwachen und Soldaten zur Sicherung der Celler Residenz standen permanent im Dienst der Herzöge."
Desertationen (Fernbleiben eines Soldaten von militärischen Verpflichtungen in Kriegs- oder Friedenszeiten) und entsprechende Strafen und Gegenmaßnahmen gehörten zum militärischen Alltag vom Mittelalter auch bis in die Napoleonische Zeit.
Erinnerungen an Waterloo und die französische Besatzungszeit:
In der Wedemark gibt es keine Monumente der Erinnerungen an das Zeitalter Napoleons. In Hannover gibt es einige versteckte oder sprachliche Hinweise (z.B. Straßennamen: von-Alten-Straße nach einem General) , aber ein bekanntes Denkmal ist die Waterloo-Säule: