Begriff:
„RAD, Reichsarbeitsdienst
Der Reichsarbeitsdienst war seit 1935 eine staatliche Einrichtung, durch die alle Jugendlichen ab 18 Jahre zu einem sechs Monate dauernden Arbeitseinsatz und zum Lagerleben mit militärischer Disziplin verpflichtet wurden. Der RAD war eine besondere Reichsorganisation, keine Einrichtung der NSDAP. Nach nationalsozialistischer Darstellung war jedoch die «… innere Zusammengehörigkeit der NSDAP und des Reichsarbeitsdienstes durch die gestellte nationalsozialistische Erziehungsaufgabe...» gewährleistet. Die Arbeitsdienstpflicht wurde am 26. Juni 1935 durch Gesetz eingeführt: «... Der Reichsarbeitsdienst ist Ehrendienst am Deutschen Volke. Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen. Der Reichsarbeitsdienst soll die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen...»
Das Gesetz bestimmte, dass jeder Mann und jede Frau im Alter von 18 Jahren für sechs Monate zum Arbeitsdienst eingezogen werden konnte. Die gesetzlich eingeführte Arbeitsdienstpflicht fand zunächst nur auf männliche Jugendliche Anwendung, die Verpflichtung junger Frauen zum Arbeitsdienst wurde erst im Laufe der folgenden Jahre schrittweise durchgesetzt. Während der Arbeitsdienstzeit wurden die Männer als Arbeitsmänner, die Frauen als Arbeitsmaiden bezeichnet. Frauen und Männer trugen während der Arbeitsdienstzeit eine braune Uniform mit einer Hakenkreuz-Binde am Ärmel; Kennzeichen des RAD auf Fahnen und Abzeichen war ein von zwei Kornähren gerahmtes Spatenblatt. Die Männer wurden bei Erd- und Forstarbeiten, beim Straßenbau und bei Moorentwässerungen eingesetzt; die Frauen arbeiteten meist zur Unterstützung der Landfrauen auf Bauernhöfen. Neben der Vermittlung praktischer Kenntnisse erhielten die Männer eine vormilitärische Ausbildung: «...Der Reichsarbeitsdienst der Männer (RAD/M) ist dank seiner soldatischen Wesensart, der Gliederung in geschlossene Verbände und vermöge seiner besonderen Erziehung und Ausbildung ein jederzeit einsatzbereites kraftvolles Werkzeug durch die gestellte nationalsozialistische Erziehungsaufgabe...» gewährleistet.
Die Erziehung in den RAD-Lagern - Männer und Frauen waren in der Regel in Baracken untergebracht - sollte «...soldatische Haltung, Bodenverbundenheit, Arbeitsgesinnung und Gemeinschaftsgeist...» vermitteln; «…Im Reichsarbeitsdienst der weiblichen Jugend (RAD/w.J.) sollen die deutschen Mädchen wie im Reichsarbeitsdienst der Männer nach den Gesetzen der Treue, des Gehorsams und der Kameradschaft in der Gemeinschaft des Lagers erzogen werden...» Zwei Monate nach der Machtübernahme 1933 wurde der NS-Beauftragte für den damals noch freiwilligen nationalsozialistischen Arbeitsdienst, Konstantin Hierl, zum Leiter des gesamten Freiwilligen Arbeitsdienstes in Deutschland berufen.
Der Freiwillige Arbeitsdienst hatte sich seit 1926 zur Erfüllung gemeinnütziger Aufgaben aus der Arbeit unterschiedlicher Jugendorganisationen entwickelt. Innerhalb weniger Monate gelang es Hierl, die kirchlichen, parteipolitischen und sonstigen Träger des Freiwilligen Arbeitsdienstes auszuschalten und seine Gleichschaltung in dem nationalsozialistischen Verein «NS-Arbeitsdienst» herzustellen. Im Juli 1934 wurde Hierl zum Reichskommissar für den Arbeitsdienst ernannt, der in dieser Eigenschaft dem Reichsinnenminister unterstand, den Arbeitsdienst jedoch weitgehend selbständig leitete. Am 26. Juni 1935 wurde durch Gesetz die Arbeitsdienstpflicht eingeführt, 1937 erhielt Hierl durch Erlass «... die Leitung aller Angelegenheiten des Reichsarbeitsdienstes im Reichsministerium des Innern». Im August 1943 wurde der RAD aus dem Bereich des Innenministeriums herausgelöst und zu einer Obersten Reichsbehörde erklärt, die Adolf Hitler unmittelbar unterstellt war. Das bedeutete, dass Hierl nur noch Hitler für seine Maßnahmen und Anordnungen verantwortlich war.
Nach nationalsozialistischer Darstellung waren 1939 300 000 Männer und 25 000 Frauen im RAD eingezogen. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, 1939-1945, wurde der größte Teil der Männer im Anschluß an die Arbeitsdienstzeit zum Kriegsdienst in der Wehrmacht eingezogen. Durch Verordnung vom 4. September 1939 konnten ledige Frauen zwischen 17 und 25 Jahren, die nicht voll berufstätig waren oder in der Ausbildung standen «...zur Erfüllung der Reichsarbeitsdienstpflicht ...» herangezogen werden; ab Juli 1941 wurden die Frauen nach ihrer Pflichtzeit im RAD zum Kriegshilfsdienst verpflichtet. Das bedeutete, die Frauen mussten ein weiteres halbes Jahr in Dienststellen der Wehrmacht, in Krankenhäusern oder Rüstungsbetrieben als so bezeichnete Kriegshilfsdienstmädchen arbeiten.“
Quelle: Kammer, Hilde, Bartsch, Elisabeth, Eppenstein-Baukhage, Manon, Nationalsozialismus, Begriffe aus der Zeit der Gewaltherrschaft 1933-1945, Reinbek bei Hamburg 1992, S. 158 f.
Urteil des Historikers Wolfgang Benz, 1968:
"VOM FREIWILLIGEN ARBEITSDIENST ZUR ARBEITSDIENSTPFLICHT
Die im RAD verwirklichte „Arbeitsdienstpflicht" hatte in den folgenden Jahren (nach 1935) nicht mehr viel Gelegenheit, den Beweis ihrer Notwendigkeit zu erbringen (Anmerkung 114). Im und nach dem Ersten Weltkrieg war die Ideologie von der „Arbeitsdienstpflicht" entstanden; in ihr floß damals weit verbreitetes Gedankengut zusammen. Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch die Industrialisierung veränderte gesellschaftliche Situation, deren soziale Probleme bis 1918 durch Verdrängung aus dem Bewußtsein zu lösen versucht worden waren, die gleichzeitig und deshalb entstandene Abneigung gegen die industriell bestimmte Großstadt förderte die romantische Sehnsucht nach Erneuerung der Lebensformen durch die Flucht auf die Scholle. Die Kollision mit der Realität beweist die umfangreiche Landflucht der zwanziger Jahre; der ideologische Gegenstoß, mit dem die Kultivierung von Ödland zur Schaffung neuen „Lebensraumes" propagiert wurde, verwechselte Ursachen und Wirkungen ebenso wie der Versuch, Arbeiter in kleinstagrarischen „Stadtrandsied- lungen" oder auf dem flachen Lande anzusiedeln, um so dem Massenelend der Arbeitslosigkeit zu steuern. Der Verlust der deutschen Kolonien und die Ernäh- rungskatastrophe nach dem Weltkrieg gab den Autarkiebestrebungen der Völkischen die Argumente in die Hand, gegenüber denen beweisbare volkswirtschaftliche Erkenntnisse von der Sinnlosigkeit der Autarkie kein Gewicht besaßen. Die Notwendigkeit, nach einem verlorenen Krieg mit Friedensbedingungen, die an der äußersten Grenze des wirtschaftlich Möglichen lagen, alle Kräfte der Nation zusammenzufassen, stand 1919 außer jedem Zweifel. Die Frage, ob es in dieser Situation des quasi militärischen Zwanges bedürfe, mit dem in einer Arbeitsarmee die verlorenen Werte wieder erzeugt oder ersetzt werden könnten, wurde von den Politikern der Weimarer Republik verneint, nicht zuletzt deshalb, weil erzwungene Arbeit selten produktive Arbeit ist. Den durch autoritäres und totalitäres Denken bestimmten Propagandisten der Arbeitsdienstpflicht muß dagegen eine generelle Arbeitsunlust, die nur durch Zwang zu überwinden ist, als Grundvoraussetzung gegolten haben. Der Freiwillige Arbeitsdienst als staatlich geförderte Fürsorge-Maßnahme, wie er zur Zeit der Wirtschaftskrise entstand, konnte den Forderungen der Arbeitsdienstpflicht-Ideologie nicht genügen, denn seine Aufgabe war ja nur, mit sozialpolitischen Mitteln den Krisenerscheinungen zu begegnen unter möglichster Meidung von Eingriffen in das Privatleben des Freiwilligen. Dagegen diente die Arbeitsdienstpflicht als Zwangsorganisation des totalen Staates der Ausrichtung und Gleichschaltung der Dienstpflichtigen im Rahmen der „Volksgemeinschaft". --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Anmerkung 114: Schon vor 1939 war ein großer Teil der Arbeitsmänner bei Projekten eingesetzt, die mit den ursprünglichen Zielsetzungen nichts zu tun hatten. Nach Kriegsausbruch geriet der RAD mehr und mehr unter die Regie der Wehrmacht. Die Erhebung zur Obersten Reichsbehörde (nach der Ablösung Fricks als RMdl wurde der RAD aus dem Innenministerium herausgenommen und verselbständigt) und der Kabinettsrang für den Reichsarbeitsführer 1943 änderten nichts am Schattendasein der Organisation."
Quelle: VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE 16. Jahrgang 1968, 4. Heft/Oktober, (Auszug S. 545-546)
Der ganze Aufsatz kann hier heruntergeladen werden.
Bitte anklicken:
rad-benz-ganzer_aufsatz-vfzg-1968.pdf | |
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Das Lager des „Reichsarbeitsdienstes“ (RAD) zwischen Negenborn und Resse
In "Geschichte der Wedemark von 1930 bis 1950" wird berichtet:
"Das Reichsarbeitsdienstlager Negenborn, das sich seit September 1932 im Aufbau befand, wurde zunächst vom Stahlhelm* geleitet.
Das Lager entstand im Zusammenhang mit der Gründung der Bodenverbesserungsgenossenschaft „An der Neuen Auter“. Anlass war ein Beschluss, die Bodenverbesserungsarbeiten durch den – noch freiwilligen – Arbeitsdienst ausführen zu lassen. Am 24. September 1932 wurde der Stahlhelm als Träger des Dienstes eingesetzt. Die im Lager gebaute Baracke für 50 Arbeitsdienstmänner wurde im März 1933 fertiggestellt und die Arbeit mit 25 Mann aufgenommen."
* Der „Stahlhelm“ war ein Kampfbund, der der rechten Mitte zuzuordnen ist, eine Organisation mit paramilitärischem Charakter, wie sie für die Politik der späten Weimarer Zeit typisch ist, hierzu Dirk Blasius, 2008, S. 25.
Quelle: Sabine Paehr, Verfolgung während der NS-Zeit – Strukturen und Schicksale in den vormals
selbständigen Gemeinden der Wedemark, in: Gemeinde Wedemark, Hg., Die Geschichte der Wedemark von 1930 bis 1950, Band 1, Verfolgung und Zwangsarbeit in der NS-Zeit, Wedemark 2016, S. 29 f.
Der Negenborner Lokalhistoriker Eckhard Martens hat eine Darstellung des Lagers verfasst:
Zum Lesen bitte den folgenden Link anklicken:
martens-reichsarbeitsdienst-überarb-140922.pdf | |
File Size: | 2187 kb |
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In der "Schulchronik von Negenborn" heißt es zum RAD-Lager:
Quelle: Schulchronik Negenborn, (1935), Blatt 12 a
in: http://www.negenborner.de/schulchronik/ [abgerufen 27.2.20, 11.00 h]
Lage des ehemaligen RAD-Lagers heute:
Quelle: Google Maps, Grafik: RTB
Hans H. Hahnemann:
Erfahrungsbericht aus einem RAD-Lager
(Textauszug)
Laut Verlag "ePubli" berichtet der Autor Hans H. Hahnemann (geb. 1921) in seiner Autobiografie zunächst aus seinem Leben als Seemann.
"Es folgen die Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend während der Zeit der Republik von Weimar bis 1933 und der Diktatur der NSDAP ab 1933. Er erlebt die unruhige republikanische Zeit mit ihren Aufmärschen und Demonstrationen der Parteien und ihrer Organisationen und die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Zunächst wird er begeistert Mitglied der Hitlerjugend, wendet sich aber enttäuscht von dieser Zwangsorganisation ab und bleibt ihr fern. Seine Berufsausbildung zum Radiotechniker wird durch den Zweiten Weltkrieg und seine Einberufung zum Reichsarbeitsdienst unterbrochen. Einige Monate später wird er zur Wehrmacht in eine Nachrichtenabteilung in Lübeck eingezogen. [...] Er gerät in alliierte Kriegsgefangenschaft, erlebt die weitere Kriegszeit vor allem als völlig neue Lehrjahre in den USA und ist im Mai 1946 wieder zu Hause."
Quelle: Hahnemann, Hans H., Stete Fahrt, unstete Fahrt, O.o., 2016, Ebook,
URL: https://www.epubli.de/shop/buch/Stete-Fahrt-unstete-Fahrt-Hans-H-Hanemann-9783737583558/49245 [abgerufen: 27.2.2020, 20.00 Uhr]
Wenn Sie den Textauszug weiterlesen möchten, klicken Sie folgende Datei an:
hahnemann-stete_fahrt-autobiograf-rad-negenborn-auszug-neu-überarb-010320.pdf | |
File Size: | 1918 kb |
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