Buch über Wedemärker Ziegeleien Karen Kolp: "Ziegelherstellung in der Wedemark 1790 – 1921“
Zwischen zwei Buchdeckeln liegt jetzt ein Forschungsergebnis vor, das im Verlaufe von zehn Jahren entstand.Die Mellendorfer Amateurhistorikerin Karen Kolp legt eine wichtige lokalhistorische Studie vor, in denen sich die "Badeteiche" ihrer Kindheit als wassergefüllte ehemalige Tongruben entpuppten und die wenigen gemauerten Backsteinblöcke mitten im Wiechendorfer Wald, aus denen Gewindeschrauben herausragten, konnten von ihr als Fundamente von Ziegelei-Maschinen identifiziert werden. Sie entdeckte darin Überbleibsel der Wedemärker Ziegeleien, die es von ca. 1790 bis 1921 im Bereich Wiechendorf, Scherenbostel und Mellendorf gab.
In diesem Buch hat sie eine beeindruckende Fülle an Informationen zusammengetragen:Es finden sich historische Informationen über die nachweisbaren Ziegeleien im Bereich der heutigen Wedemark, aber auch in einem Anhang über die der umliegenden außerregionalen Orte.Es wurden biografische Daten zusammengetragen, die teilweise auch über den unmittelbaren Bezug zum Ziegelei-Thema hinausgehen, um der lokalen Leserschaft die Möglichkeit zu geben, eigene Bezüge herzustellen.Man erhält geografische Belege zu den Ziegeleien, die durch vielfältige Karten(-ausschnitte) unterschiedlichen Alters die Forschungen untermauern.Viele technische Darstellungen des gesamten Ziegelproduktionsprozesses werden in Bild und Text beschrieben: von Feldbrandöfen bis zu den "moderneren" Brennverfahren mit dem Hoffmannschen Ringofen, Rückblenden zu den alten antiken Ziegel-Produktionsweisen und Darstellungen der traditionellen Handwerksgeräte bis zu den "modernen" Strangpressen.Ausführungen zu technischen Normen und Maßen ergänzen die Informationen: Ziegelgrößen und -maße, Ziegelarten, spezifische Wedemärker Produkte usw.Es fehlen auch keine sozialgeschichtlichen Aspekte: Arbeitszeiten, Herkunft der Ziegler, Entlohnungssysteme, Wohn- und -ernährungsverhältnisse sowie Gesundheitsgefahren der Ziegeleiarbeit.Lokalhistorische Dimensionen ergeben sich auch durch Hinweise auf die ersten Backsteingebäude der Wedemark, auf lokale Verwendungen von Backsteinen, auf Ziegelherren, Wedemärker Ziegelarbeiter usw.Auch die ökonomische Organisation der Ziegeleien wird erkennbar: vom bäuerlichen Nebenerwerb mit Feldbrandöfen über den genossenschaftlichen Betrieb zur industriellen Ziegelfabrikation mit berufs- und branchenfremden Kapitalgebern.Informationen zur allgemeinen historischen Entwicklung im 19. Jahrhundert ordnen das Ziegeleiwesen politisch und juristisch ein: Gewerbefreiheit, Gewerberecht, Einhaltung gesetzlicher Vorschriften in der Wedemark usw.Viele empirische Belege, eine Fülle von Bildnachweisen, Quellenangaben und Tabellen, geben dem Leser die Möglichkeit, Informationen nachzuprüfen und eigene Einstiege ins Thema zu finden.Woher stammen alle diese Informationen? Aus Archiven, historischer Literatur, aus Internet-Portalen, durch Befragung von Zeitzeugen oder deren Nachkommen und durch eigene industriearchäologische Untersuchungen.Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit betrifft u.a. die Arbeiter der Ziegeleien. Diese kamen zum größten Teil als Wander- bzw. Saisonarbeiter aus dem Bereich Ostwestfalen/Lippe. Sie stellten den notwendigen Teil der hiesigen Facharbeiter und kamen von April bis Oktober in festen, kleinen Kolonnen in die Wedemark (und in andere nordeuropäische Bereiche). Ein erheblicher Teil von ihnen ist namentlich bekannt, ihre Arbeitsstelle, ihr Wohnort, und zwar weil sie gewerbsmäßig von Agenten ("Ziegelboten") im Regierungsauftrag vermittelt wurden. Deren Geschäftsunterlagen haben überdauert und sind inzwischen durch die historische Forschung beim "Institute of Social History" in einer (Internet-) Datenbank erfasst.Unbekannt aber sind fast völlig die Namen von örtlichen Wedemärker Ziegelarbeitern. Es gibt über sie fast keine schriftlichen Unterlagen. Das ist schade, aber auch insofern nicht verwunderlich, weil sie nicht offiziell vermittelt wurden, sondern vermutlich zu einer Ziegelei in ihrem Lebensbereich gingen, um Arbeit nachsuchten, sie im Erfolgsfalle bekamen und dort arbeiteten, solange ihre Beschäftigung währte. Ihre Namen tauchten sicherlich in Firmenunterlagen auf, in gerichtlichen Untersuchungen, Gewerbeangelegenheiten usw. Davon aber ist kaum etwas überliefert und die Ziegler selbst waren in der Regel keine historisch bewussten Menschen, die der Nachwelt gezielt schriftlich etwas berichten wollten.Eine abschließende Bewertung dieser Arbeit fällt nicht schwer: Hier wird ein Werk über das Ziegeleiwesen im Bereich der historischen Wedemark veröffentlicht, das in seiner Bedeutung nicht verkannt werden kann. Es ist auch nicht vorstellbar, das es jemals einen Nachfolger finden wird. Denn bezüglich der Leistung von Karen Kolp gilt: Wer das Außerordentliche des Buches bei der Lektüre erkennt, wird dieses Urteil umso mehr begreifen, wenn er die Gelegenheit hatte, mit der Autorin im Wald bei Wiechendorf zum Beispiel das ehemalige Betriebsgelände der Ziegelei Querfeld aufzusuchen: Dicke Bäume wachsen überall, eine mächtige Laubschicht bedeckt den Boden und Dornen haben alles überwuchert. Nur die Autorin mit Spürsinn findet hier noch die ehemaligen Tongruben, Ziegelreste, Fundamente von Trockenschuppen, Maschinen usw. Sonst niemand mehr.
Das Buch ist jetzt im Selbstverlag unter dem Titel "Ziegelherstellung in der Wedemark 1790 – 1921“ erschienen. Es hat einen Umfang von 342 Seiten. Rezension: Reinhard Tegtmeier-Blanck, Historiker, November 2019