Vorbemerkung:
Die komplexe Geschichte des Ersten Weltkriegs soll und kann hier nicht dargestellt werden. Hier geht es neben ein paar allgemeinen Informationen überwiegend um das, was die Wedemark betrifft.
Einführende Informationssendung
aus der Bundeszentrale für politische Bildung, dazu bitte das Bild anklicken!
Eckdaten zum Krieg:
28. 6. 1914 Beginn des 1. Weltkrieges nach einem Attentat, die Erschießung des östereichisch-
ungarischen Thronfolgers Erzherzog Franz-Ferdinand durch einen serbischen
Terroristen in Sarajewo
11.11.1918 Waffenstillstand im Eisenbahnwaggon im Wald von Compiègne/Frankreich
9.11.1918 Abdankung von Wilhelm II. und Flucht nach Doorn/ Holland.
9.11.1918 Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann (SPD) und durch Karl
Liebknecht (ehemals SPD) vom Berliner Schloss Ausrufung der „freie(n)
sozialistische(n) Republik Deutschland“
Der äußere Anlass des Kriegsbeginns
war das Attentat von Sarajewo (bitte anklicken) am 28. Juni 1914, als der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz-Ferdinand und seine Frau bei einem Staatsbesuch in Sarajewo durch einen serbischen Terroristen erschossen wurden.
Quelle: https://www.lefigaro.fr/vox/histoire/2014/06/27/31005-20140627ARTFIG00337-sarajevo-28-juin-1914-quand-un-coup-de-feu-accouche-de-l-histoire.php?pagination=2
Geheimes Telegramm an den Bürgermeister von Cottbus über den bevorstehenden Kriegsausbruch
Quelle: https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/lager-cottbus/#s3
Ein Beispiel:
Soldatenliederbuch für den Tornister,
Kleinformat 70 x 110 mm,
(Augenscheinliches Motto: Mit Gesang in den Krieg!)
Ein Beispiel:
Der Kaiser rief uns in das Feld,
zum Kampf hat sich der Feind gestellt;
und freud'gen Muts tritt jeder an
vom Jungsoldat bis Landsturmmann.
Ade, ihr Lieben, trauet fest,
der Deutschen Gott uns nicht verlässt,
er führt zum Kampf uns und zum Sieg,
im großen deutschen, heil'gen Krieg.
Für Kaiser, Reich und Vaterland
marschieren wir, das Herz entbrannt
von Kampfeslust und Kampfesmut
den Feind zu treffen schnell und gut!
Mit Infantrie und Kavall'rie,
mit Pionier und Artill'rie,
so ziehn für Deutschlands Ehr' und Macht
wir, seine Krieger, in die Schlacht.
Du brav Gewehr, du wackres Schwert,
mein Schmuck von Eisen lieb und wert!
Gold, Silber sind nur eitel Tand,
Kanon blitzt schöner als Demand!
Und machen wir zum letzten Stoß,
zum Sturm die helle Waffe bloß,
dann Brüder fahrt wie Helden drein:
Der Sieg, der Sieg muss unser sein!
Quelle:
(Moraht, Ernst, Unser Liederbuch, Deutsche Volksbuchhandlung), s.o., Berlin ohne Jahr (1915?) S. 31
Heutige Erinnerung an den Ersten Weltkrieg:
Ein wesentlicher Punkt in der öffentlichen Erinnerung scheinen die Schlachten zu sein, z.B. der Kampf um Verdun. Es war ein erster industrialisierter Krieg mit hochtechnisierten Vernichtungswaffen. Der Historiker Jörg Friedrich beschreibt in seinem Buch "Das Gesetz des Krieges" Aspekte der Vorgänge an der Front (Auszug):
"Das Trommelfeuer schickte die Grabeninsassen in eine andere Welt. Die Rinnen waren, um Druckwellen und Geschoßsplitter aufzufangen, in Zack-Zack-Linien gezogen worden. Von Holz- stempeln abgestützt, ragten Höhlen tief ins Erdreich, in denen sich die Besatzungen verkrochen.
Die Männer schrien, flehten, weinten, rasten wie panisches Getier umher oder klammerten sich kindlich aneinander. Das 24stündige Gehämmer der pfeifend niedersausenden Granaten schleuderte sie taumelnden Puppen gleich durch den Unterstand, daß die Helme klirrten. Die Luft erstickte in Rauch, Staub, Wellen von Druck und Getöse; den Raum erdrückten die unentwegt durchgepflügten, jäh aufspritzenden und wieder hinabprasselnden Erdmassen. Der Takt der Einschläge teilte die Zeit. Jedes Intervall bemaß erneut die Lebensfrist. Druck reißt Gewebe auseinander, das war die Arbeit dieser Industrie. In der Tat war das Trommelfeuer des Ersten Weltkrieges als Walz- und Preßwerk angelegt, das Körper teilte, zerkleinerte und mit dem Boden vermischte. Wie von Hebeln und Zangen bewegt, fielen die Grabeninsassen in den tödlichen Winkel zum Geschoß. Von der Arbeit des Artilleriehammers, den getrennten Gliedmaßen, Köpfen, Rümpfen, war der Boden nach einigen Jahren durchsetzt. Den Soldaten graute nicht sonderlich vor ihrem Endzustand. Sie hatten sich in die Dekomposition, den Schauder, den Gestank, den Schleim eingelebt, fürchterlicher war der primitive, unbeholfene Zertrümmerungsprozeß. Die zyklopischen Geschütze schleuderten den Tod nur mühsam in die Gräben. Um das Leben dort auszumerzen, mußten wochenlang Türme von Projektilen in ein und dasselbe Areal gepumpt werden. Durch die plumpe, mechanische Erschütterung einer Front, die vor Verdun 17 Kilometer entlanglief, durch Explosionsdruck, Granatsplitter und Grubeneinsturz sind nicht Millionen von Männern zu treffen. Selbst wenn obendrein die hinteren Versorgungswege zerstört werden, die Ersatz, Nahrung, Verwundetentransport und Befehle schleusen, hält ein Kern an Verteidigern durch. Um ihn so lange auszudünnen, bis der angreifenden Infanterie ein Durchbruch gelingt, speit auf ihn der Schlund der Hölle. Ziellos, ungeschlacht und desto ausdauernder. Wann sonst sind Wesen, um sie auszulöschen, derart gefoltert worden?
Quelle: Friedrich, Jörg, Das Gesetz des Krieges, München-Zürich, 1993, S. 107 f.
Zwei Feldpostbriefe aus Verdun:
"Dahin sind alle Träume…"
Feldpostbrief des 20-jährigen Paul Boelicke, Theologiestudent, gefallen am 12. Oktober 1918 in Verdun:
"Verdun, ein furchtbares Wort! Unzählige Menschen, jung und hoffnungsvoll, haben hier ihr Leben lassen müssen, ihre Gebeine verwesen nun irgendwo, zwischen Stellungen, in Massengräbern, auf Friedhöfen. Kommt der Soldat morgens aus seinem Granatloch (viele sind ganz voll Wasser), so sieht er im hellen Sonnenschein die Türme des Douaumont oder eines anderen Forts, die ihre Augen drohend ins Hinterland richten. Ein Schütteln packt ihn, wenn er seine Blicke rundum schickt: hier hat der Tod seine Knochensaat ausgesät. Die Front wankt, heute hat der Feind die Höhe, morgen wir, irgendwo ist hier immer verzweifelter Kampf. Mancher, der sich eben noch der warmen Sonne freute, hörte es schon irgendwo brüllen und heulend herankommen. Dahin sind alle Träume von Frieden und Heimat, der Mensch wird zum Wurm und sucht sich das tiefste Loch. Trommelfelder-Schlachtfelder, auf denen nichts zu sehen ist als erstickender Qualm-Gas-Erd-Klumpen-Fetzen in der Luft, die wild durcheinander wirbeln: das ist Verdun."
"Nicht Schlachtfeld, sondern Gemetzelfeld"
René Jacob, Familienvater und Bäckermeister aus Burgund, seit September 1915 in Nord-West-Frankreich an der Front, gefallen ein Jahr später bei Verdun: "
Wie soll man es beschreiben? Mit welchen Worten? Gerade sind wir durch Meaux gezogen, die Stadt ist ausgestorben und still. – Meaux mit seinen auf der Marne versenkten Schiffen und seiner zerstörten Brücke. Danach haben wir die Landstraße nach Soisson genommen und die Stelle erklommen, die uns auf die nördliche Hochebene führt. Und auf einmal, als würde man einen Theatervorhang vor uns lüften, erschien vor uns das Schlachtfeld mit all seinem Grauen. Leichname von Deutschen am Rand der Landstraße. In den Senken und Feldern schwärzliche, grünliche zerfallene Leichname, um die herum unter der Septembersonne Mückenschwärme schwirren. Menschliche Leichname in merkwürdiger Haltung, die Knie in die Luft gestreckt oder einen Arm an die Böschung des Laufgrabens gelehnt; Pferdekadaver, was noch schmerzlicher als menschliche Leichname ist, mit auf dem Boden verstreuten Gedärmen; Leichname, die man mit Kalk oder Stroh, Erde oder Sand bedeckt, die man verbrennt oder begräbt. Ein schrecklicher Geruch, ein Beinhausgeruch steigt aus dieser Verwesung hervor. Er packt uns an der Kehle und für viele Stunden wird er nicht ablassen. Gerade, als ich diese Zeilen schreibe, fühle ich ihn noch um mich, was mir das Herz zuschnürt. Vergeblich bemüht sich der in Böen über die Ebene wehende Wind all dies wegzufegen; es gelang ihm, die Rauchwirbel zu vertreiben, die von diesen brennenden Stapeln aufstiegen; aber er vermochte nicht den Geruch des Todes zu vertreiben. "Schlachtfeld" habe ich vorher gesagt. Nein, nicht Schlachtfeld, sondern Gemetzelfeld. Denn die Leichname, das hat nichts zu bedeuten. Bis jetzt habe ich hunderte ihrer verzerrten Gesichter und ihre verrenkten Haltungen gesehen und vergessen. Aber, was ich niemals vergessen werde, ist die Verschandelung der Dinge, die grässliche Verwüstung der Hütten, das Plündern der Häuser."
Quelle: https://www.planet-wissen.de/geschichte/deutsche_geschichte/der_erste_weltkrieg/pwiefeldpostbriefe100.html
Quelle: Abfahrt nach dem Kriegsschauplatz, Postkarte, 1914.
In den ersten Kriegsmonaten herrschte vor der Abfahrt zur Front noch eine lockere und freudige Atmosphäre. Das Foto zeigt Soldaten des 106. Infanterie-Regiments aus Leipzig. Heimatmuseum Grimma
Quelle: https://www.psychologie-heute.de/fileadmin/_processed_/5/2/csm_2218010494484171879_12edaa845b.jpg
Ehemaliges Schlachtfeld bei Verdun heute
Quelle: https://www.futura-sciences.com/sciences/questions-reponses/histoire-deroulee-bataille-verdun-1916-5558/
Exkurs:
Hermann Löns
Warum wird Hermann Löns, "der Heidedichter", in diesem Geschichtsportal erwähnt?
Es geht uns nicht um einen Beitrag zur Person und zur literarischen Einordnung von Löns. Diese Debatte ist gelaufen und läuft noch weiter.
Er wird hier erwähnt, weil er in unserer Region sehr bekannt ist, sich hier und in der Lüneburger Heide vor dem Ersten Weltkrieg immer wieder aufhielt - z.B. als leidenschaftlicher Jäger und Naturliebhaber - dabei viele Anregungen für seine Literatur erhielt, und weil er über Jahre bei der wichtigen Lokalzeitung "Hannoverscher Anzeiger" in Hannover als erfolgreicher Journalist und Buchautor arbeitete.
Uns interessiert hier sein überraschendes Engagement für das Militär 1914, seine Meldung als freiwilliger Kriegsteilnehmer am 24. August nach drei Wochen Krieg, Einrücken an die Front am 3. September und sein plötzlicher Tod nach weiteren drei Wochen am 26. September 1914 bei Loivre.
Hermann Löns,
Fotografie um 1900, Wikipedia
„Ein Zerrissener zwischen Mief und Moderne
Frankfurter Rundschau, Stand: 28.08.2016, 17:27 Uhr
Der Heidedichter lieferte Stoffe für Heimatfilme lange nach seinem Tod, die Nationalsozialisten vereinnahmten ihn. Doch der oft als reaktionärer Kitschautor geschmähte Hermann Löns ist eine bunt schillernde Persönlichkeit gewesen, kaum einzuordnen, bis heute. [...]
So war der vor 150 Jahren geborene Löns nicht nur Autor, Journalist und Jäger, sondern auch Naturschützer, Gesellschaftskritiker, Alkoholiker und Frauenheld. «Löns flüchtete vor den Anforderungen der Moderne in Naturidyll, Gewalt und Geschichte.» So beschreibt Löns-Kenner Thomas Dupke den oft nur als Reaktionär verschrieenen Autor. «Löns war innerlich zerrissen mit Wahnvorstellungen und Gewaltfantasien», meint der Germanist und Historiker. «Modern ist auch die Spannung zwischen Stadt und Land.»
Im westpreußischen Kulm - heute Chelmno in Polen - am 29. August 1866 geboren, wird Löns nach abgebrochenem Medizinstudium 1891 Journalist. Lange hält es den Rastlosen nie, Unpünktlichkeit und Alkoholkonsum stoßen seine Umgebung ab. Doch dann erscheinen seine Jagdgeschichten, Löns wird immer erfolgreicher. «Schließlich war wohl die Jagd meine Rettung», schreibt er. Der leidenschaftliche Jäger wird zu einem der ersten Naturschützer. «Urmensch will ich sein in der Urnatur», heißt es, «herrliche Flucht aus dem verachteten Jetzt.»
Löns wird Bestsellerautor, seine Gedichte werden massenhaft vertont, so auch «Auf der Lüneburger Heide». Das meistverkaufte Buch aber bleibt «Der Wehrwolf» von 1910, ein blutiges Epos um wehrhafte Bauern im Dreißigjährigen Krieg.
Nach 1933 vereinnahmen die Nazis Löns als «Blut-und-Boden-Dichter» für ihre Ideologie. So sollte der Wehrwolf-Roman gegen Kriegsende als propagandistische Wunderwaffe neue Kräfte freisetzen, schrieb Dupke schon 1994 in seinem Löns-Buch «Mythos und Wirklichkeit», das sich wie wohl keines zuvor den dunklen Seiten von Löns widmete - die Anhänger reagierten damals entsetzt. […]
Auch mehr als einhundert Jahre nach seinem Tod auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs kann Löns faszinieren, meint der Autor Heinrich Thies, der sich intensiv mit Löns beschäftigt hat. […] «Löns ist eine total zerrissene Persönlichkeit, das macht ihn für mich sehr interessant», sagt Thies, wie Löns lange Journalist in Hannover. «Bei all seinen Schattenseiten muss man Löns differenziert betrachten», betont er. «Löns war eben nicht nur Kitschautor, Rassist und ein Alkoholiker mit psychischen Problemen, sondern auch durchaus ein brillanter Journalist, ein begnadeter Naturschilderer und ein Jagdpoet, der seine Waidgenossen nicht geschont hat.»
Bei Kriegsausbruch 1914 ist Löns bereits 48, doch er meldet sich als Freiwilliger und kommt in Frankreich an die Front. «Lisa Löns spricht nach meiner Meinung zu Recht von einem 'dekorativen Selbstmord'», sagt Thies. Löns sei nach der dramatischen Trennung des Paares 1911 zu einem gebrochenen und depressiven Mann geworden.
«Ich glaube, es war die Sehnsucht nach dem Kampf», meint dagegen Dupke. Doch das erst 1986 vollständig veröffentlichte Kriegstagebuch schildert keineswegs heroischen Schlachtentod, sondern die grausame Realität des Krieges. «Denke an die Leichen, an den erschossenen Spion», schreibt Löns, das millionenfache Sterben hat erst begonnen. «Leben ist Sterben, Werden, Verderben.» Nur zwei Tage später fällt Löns am 26. September 1914 in Loivre bei Reims. […] «Die Texte von Löns stehen auch heute für die Suche nach dem Naturidyll und der heilen Welt in einer von Krisen erschütterten Zeit», sagt Dupke. [...]“
Quelle: https://www.fr.de/ratgeber/medien/hermann-loens-ein-zerrissener-zwischen-mief-und-moderne-zr-6698938.html
Thomas Dupke,
Hermann Löns, Mythos und Wirklichkeit
Eine Biographie,
Hildesheim 1994, Auszüge S. 166 ff.
Anmerkung:
Für unsere Zwecke wurde der Text von Thomas Dupke gekürzt und wurden dessen Zitate von Hermann Löns hervorgehoben.
"Wie sehr Löns der wilhelminischen Epoche verhaftet war, zeigt das Jahr 1914. Im Spätsommer 1914, als sich in Europa der Konflikt um Serbien verschärfte, wurde Löns aus seiner Lethargie und seinen Depressionen herausgerissen. [...]
»Ist das eine herrliche Zeit!«
jubelte Löns am 6. August 1914, fünf Tage, nachdem das Deutsche Reich Rußland den Krieg erklärt hatte und drei Tage nach der Kriegserklärung an Frankreich.
»Mensch, das Leben ist so schön jetzt, daß es sich lohnt, zu sterben. Was bin ich froh, daß ich mich 1911 nicht totschoß! Und wie gedeppt gehen jetzt die Juden rum! Fein, nicht?«
Endlich sah Löns die Zeit gekommen, in der er nicht nur vom Kampf träumte, sondern selbst daran teilnehmen konnte. Jetzt schien das wahr zu werden, was er sich immer ersehnt hatte:
»Eine Schlacht mitzumachen, aber mit der Waffe in der Hand, so eine wie am Riff, wo man das Weiße im Auge sehen kann beim Gegner.«
Unbedingt wollte er sich, mit fast 48 Jahren, freiwillig zur Armee melden; er wollte nicht mehr vom Kampf schreiben und ihn in seiner Phantasie nacherleben, sondern mitten im Geschehen stehen […]
»Ich hatte vor, einen Roman, der den Dreifrontenkrieg behandelte, zu schreiben, kam aber vor Übelbefinden und Lebensunlust nicht dazu. Na, so ist es besser. Es fehlte uns einmal ein Stoß in das Genick, sonst wären wir im Gelde verreckt. — Alle Leute erwarten von mir Kriegslieder, aber mir kommt es dumm vor, da zu sitzen und zu dichten, und Leute, die älter und schwächer als ich sind, ziehen mit. Wie gut wäre ich mit meinen Eulenaugen beim Vorposten und Aufklärerdienste zu gebrauchen.«
Kategorisch verkündete Löns:
»Die Feder schmeiß ich in den Dreck. Das Schreiben ekelt mich.«
Jetzt, als er glaubte, mit dem realen Kampf seiner tristen Alltagswelt entfliehen zu können, brauchte er die Literatur als Surrogat (= Ersatz, ergänzt RTB) für seine vitalistischen Wunschträume nicht mehr. […] Die Opferbereitschaft, die Löns besungen hatte, wollte er bei Kriegsbeginn selbst unter Beweis stellen, doch hatte er große Schwierigkeiten, als Soldat angenommen zu werden. Sein Alter, sein wechselhafter Gesundsheits-zustand und die Tatsache, daß er nie einen Militärdienst abgeleistet hatte, waren große Hindernisse. Nachdem er schon bei verschiedenen Truppenteilen abgewiesen worden war, half ihm aber der Zufall. Durch die persönliche Fürsprache eines Offizierstellvertreters gelang es Löns, zur Musterung beim Ersatz-Bataillon des Füsilier-Regiments Generalfeldmarschall Prinz Albrecht von Preußen Nr. 73 zugelassen zu werden. Ganz dandyhaft, im weißen Sommeranzug und mit Panamahut, erschien Löns am 24, August 1914 zur Musterung und wurde als tauglich eingestuft. Stolz berichtete er in zahlreichen Briefen und Postkarten an Freunde und Bekannte, daß er als Freiwilliger angenommen worden war.
Nach nur neun Tagen Ausbildungszeit verließ Löns am 3. September Hannover, passierte mit seinem Regiment das von deutschen Truppen überrollte Belgien und gelangte nach Frankreich. Dort war der deutsche Angriff inzwischen ins Stocken geraten, […] Aus dem Offensivkrieg wurde ein Stellungskrieg. […] Löns’ Begeisterung und Optimismus blieb denn auch in den ersten Tagen seines Soldatendaseins ungetrübt. [...] Doch trotz der erklärten Absicht, kein Tagebuch führen zu wollen, schrieb Löns seine Erlebnisse nieder. In einer Kladde trug er mit Bleistift seine Notizen in einer Mischung aus deutscher, lateinischer und individueller Kurzschrift ein. Das Schreiben wurde letztendlich doch nicht vom Kampf verdrängt, da Löns sehr schnell feststellen mußte, daß die Kriegsrealität wenig gemein hatte mit dem idealen Kampf, der in seiner Literatur stattfand. Seine schwärmerische Idee vom Kampf Mann gegen Mann wurde im realen Krieg ad absurdum geführt. [...] In dem Krieg, den Löns erlebte, standen sich nicht Mann gegen Mann gegenüber, sondern der einzelne Soldat wurde Teil einer großen Maschine. Löns bemerkte:
»Ich finde, der Schlachtenlärm erinnert an Fabriklärm. Er regt mich nicht auf, erfüllt mich mit Widerwillen.«
Sehnsüchtig wartete er auf die direkte Aktion:
»Wie wird der Tag werden? Wieder so tatenlos wie der letzte?«
Statt eines Heldenlebens erwartete Löns die Enttäuschung seines Traumes; der Krieg erwies sich nicht als großes reinigendes Erlebnis, aus dem er als Urmensch oder gestählter Krieger hervortreten konnte, sondern er fand sich wieder als kleiner Soldat, der unter dem Kriegsalltag litt:
»Augen voll Dreck. Nase, Gesicht, Hände voller borkiger Wunden. Ein Schweineleben.« (15.9.)
Der Krieg bot ihm nicht die Freiheit eines ungebundenen Lebens, sondern er mußte die Strenge und Ungerechtigkeit des Kommißlebens erfahren:
»Wenn man nur wüßte, wie es mit uns stände, und wenn man genießbares Brod und Wasser hätte und nicht bei jeder Gelegenheit unnütz grob behandelt würde.« (15.9.)
Die Strapazen wirkten sich schnell körperlich aus, Löns gab keinen aufrechten Heroen ab; er war ein kränkelnder, älterer Soldat, der inmitten von Dreck, Kot und Leichen stand:
»Ich gehe cacandi causa in den Wald. Da sieht es böse aus. Zerschrammte Stämme, verwühlte Erde, Zünder, Sprengstücke, lange gelbe Messingpatronen, wie ich sie in Hannover fahren sah, Hülsen, Verhaue, Pullen, Faecalien.« (16.9.)
Am 23. September notierte er:
»Leichen, Leichen, Leichen, Verwesungsgeruch hier und da ganz schlimm. Unsere Schweren brüllen.«
Angesichts dieser Erfahrungen zog sich Löns wieder in den Fluchtraum Natur zurück, der als Schutzwall gegen die Eindrücke des Krieges diente — gegen den Lärm der Schüsse und der Explosionen, den Anblick von Leichen und Zerstörung, den Geruch von Kot und Verwesung:
»Das Feuer wird immer fürchterlicher. Ich kann nicht sitzen, nicht liegen, nicht stehen in dem engen Graben. Botanisiere mit den Augen blauen Rittersporn, rosiges Löwenmaul, eine rosarote andere Blume.« (14.9.)
Beim Anblick einer Holzlaus erinnerte sich Löns fast wehmütig an seine alten Forschungsarbeiten zu diesem Insekt:
»2 Uhr. Mein Mittag ist ein verschimmeltes Brod und ein Schluck warmes Wasser, dazu der Geruch des Kotes, den eben ein Mann absetzt. Auf meinem Notizbuch Pterodela pedicularia (28 Jahre sind es her, daß ich Holzläuse suchte).« (15.9.)
Diese Flucht in die Natur konnte sogar so weit gehen, daß Löns inmitten eines gegnerischen Angriffs über Käfer dozierte:
»Die Franzosen beschießen die Füsiliere, die aus den Schützengräben zum Walde ziehn mit Schrapnells, daß es in der Luft blitzt und qualmt, und Granaten, daß Erde und Rauch spritzt, aber sehr weit ab und hinterher. Ich halte Feldwebel Sarstedt derweil Vortrag über Staphyliniden.« (16.9.)
Wie in seinem bisherigen Leben wurden das Naturerlebnis und das Schreiben zu Fluchtmöglichkeiten aus der Realität. Zwar fiel Löns’ Schreibtätigkeit in der Kriegssituation zwangsläufig knapp aus, doch wahrscheinlich hat er mit dem Gedanken gespielt, das Tagebuch als Grundlage für spätere Texte zu nehmen. Löns erweiterte seine knappen Notizen oft mit in Klammern stehenden Vermerken, die das eben Geschriebene präzisierten: …
»Wir liegen kaum, da bekommen wir Granatfeuer, rechts und links schlagen Granaten ein. (Rotkehlchen, Waldgrille.)« (13.9.)
So kurz diese Notizen auch sein mögen, so enthalten sie doch in Ansätzen die Ästhetisierung des Todes, die bereits die Lönsschen Tier- und Naturerzählungen durchzog. Wie in seinen anderen Texten verquickt Löns in seinem Tagebuch Gewalt und Idylle zu einem Bild, in dem der Krieg trotz aller Schrecken ästhetische Qualität bekommt:
»Insektengesumme um die roten, blauen, gelben, weißen Stoppelblüten und furchtbares Duell zwischen unserer und der frz. Artillerie.«
Am selben Tag, dem 16. September, schreibt Löns:
»Ihre Kugeln summen wie Hummeln oder auch wie Mistkäfer, die sich plötzlich ins Gras setzen.« Leben und Tod in Gestalt von Tieren und menschlichen Vernichtungswaffen sind für Löns miteinander verbunden. Diese Symbiose von Gewalt und Idylle, Brutalität und Sentimentalität ist eine Konstante in Löns’ Texten, die sich von den frühen Gedichten bis hin zum Kriegstagebuch zieht. Löns bemüht sogar den Erfahrungsbereich der Natur, um einen Angriff mit modernen Waffen zu schildern:
»Einige graben sich ein, andere ducken sich platt, andere kriechen unter die Tannenzweige, und in der Luft heult und pfeift, jault und flötet, brummt und knurrt es unablässig.«
So ähnlich hatte Löns bereits Jahre zuvor eine Wiese beschrieben, über der Insekten schweben: »Überall ist außerdem ein eifriges Summen und Brummen, Schwirren und Flirren; alle Bienen und Fliegen, Wespen und Hummeln sind unterwegs, denn allerorts ist der Tisch gedeckt.« […]
Das Kriegserlebnis hat Löns keineswegs zu einer Revision seiner Weltanschauung geführt. Zwar beobachtete er die Zeichen der verlorenen Marneschlacht, bemerkte Flüchtlinge, Deserteure und Autos mit Verwundeten, zeitweise verlor er sogar den Anschluß an seine Truppe und suchte tagelang seine Kompanie, doch trotz aller Widrigkeiten und Enttäuschungen zweifelte er nicht am Sinn des Krieges. In seinen Aufzeichnungen hielt er an seiner nationalistischen Überzeugung und der Ästhetisierung des Krieges fest. Im ganzen Tagebuch finden sich keine kritischen Eintragungen, die das Kriegsgeschehen hinterfragen. Die pessimistischen Töne, die Löns anschlägt, sind auf die Folgen von Strapazen und Krankheit sowie auf die Konfrontation mit einer neuenErfahrungswelt zurückzuführen, die so gar nicht Löns’ Ideal entsprach:
»Nacht mild. Trotzdem habe ich eiskalte Füße im dicken Stroh. Sehe von meinem Lager den Sternschnuppen zu. Denke an die Leichen, an den erschoss[enen] Spion. Droben am Firmament dieselbe Not. Leben ist Sterben, Werden, Verderben.«
Doch einen Tag später, am 25. September, schreibt er wieder voller Tatendrang:
»Frohe Stimmung, und es geht in die Linie.«
Dies sind die letzten Worte in seinem Tagebuch. Löns’ Kompanie befand sich zu diesem Zeitpunkt bei Pontgivard, in der Nähe von Loivre. Die deutsche Militärleitung versuchte, Reims einzunehmen, das bereits einmal von deutschen Truppen besetzt worden war, dann aber aufgegeben werden mußte. Immer wieder wurden neue Angriffe befohlen, um die starren Frontabschnitte zu verschieben. Doch trotz großer Verluste blieben die Versuche erfolglos. Am Abend des 25. September erging an die 2. Armee, zu der Löns’ Regiment gehörte, der Befehl zum erneuten Angriff. Ziel war die Einnahme des Dorfes Villers-Franqueux. Für Löns’ Kompanie, die bisher immer in der zweiten Linie in Wartestellung gelegen hatte, sollte es der erste Sturmangriff werden.
Für Löns wurde es zugleich der letzte. Beim Versuch, eine französische Stellung einzunehmen, wurde Hermann Löns am 26. September - er war gerade mal einen Monat Soldat - tödlich getroffen."
Erster Weltkrieg 1914 - 18
Krieg an der Somme 1916
"Die Schlacht an der Somme war eine der größten Schlachten an der Westfront des Ersten Weltkrieges. Sie begann am 1. Juli 1916 im Rahmen einer britisch-französischen Großoffensive gegen die deutschen Stellungen. Sie wurde am 18. November desselben Jahres abgebrochen, ohne eine militärische Entscheidung herbeigeführt zu haben. Mit über einer Million getöteten, verwundeten und vermissten Soldaten war sie die verlustreichste Schlacht der Westfront während des Ersten Weltkriegs, an Verlusten nahe jenen der Brussilow-Offensive der Ostfront."
(https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_an_der_Somme)
Roye / Somme
wurde im Ersten und auch Zweiten Weltkrieg total zerstört.
Roye, Foto Bahnhofsnähe
Roye (Somme) -
Partnerstadt der Gemeinde Wedemark
Als sich zwei Familien aus Brelingen und aus Roye im Sommer 1975 auf einem französischen Campingplatz kennen lernten, hätte vermutlich kaum jemand geahnt, dass sich aus dieser Bekanntschaft eine feste Städtepartnerschaft ergeben würde. Sie trafen sich häufiger und initiierten eine solche:
"Im März 1984 wurde es nun ernst. Die Verantwortlichen trafen sich im Rathaus in Roye und besiegelten die Freundschaft zwischen der Gemeinde Wedemark und der Stadt Roye in Form einer Partnerschaftsurkunde.
Seit fast 50 Jahren besteht diese Freundschaft nun und ist von beiden Seiten ein erheblicher Beitrag zum Vereinten Europa in Freiheit und Toleranz und dient der Verständigung zwischen zwei benachbarten Nationen, ..."
(https://www.wedemark.de/portal/seiten/roye-918000845-20051.html)
"Die deutsche Kriegswirtschaftspolitik hatte vier grundlegende Ziele:
- das Herstellen von ausreichend Kriegsmaterial (Munition, Waffen, sonstige Ausrüstung) für die neue
Kriegsform der Materialschlachten,
- zu diesem Zweck vor allem die Sicherung der Rohstoffversorgung,
- die Aufteilung von Arbeitskräften beziehungsweise Soldaten zwischen Armee und Wirtschaft, vor
allem Rüstungsbetrieben, um beide funktionsfähig zu erhalten,
- das Erhalten des sozialen Friedens durch Ausgleich zwischen den Interessen von Unternehmern,
Arbeitern und dem kriegführenden Staat,
- das Sicherstellen der Nahrungsmittelversorgung trotz der von den Alliierten verhängten
Wirtschaftsblockade."
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Wirtschaftsgeschichte_im_Ersten_Weltkrieg
Auswirkungen an der "Heimat-front" (Erläuterung siehe unten)
|
Quelle: https://i.pinimg.com/originals/86/69/3a/86693a7e918759dfc99ee224a84e7260.jpg
Quelle: https://de.academic.ru/pictures/dewiki/83/Spare_seife_aber_wie.jpg
|
Verfütterungsverbote. Reichszuckerstelle. Verwendung von Süßstoff als Zuckerersatz. Unmöglichkeit, die Spirituserzeugung stark einzuschranken. Abbau der Kornbrennereien. Hefebrennereien. Brannt-weineinfuhr aus dem Auslande. Die Reichs-Branntweinstelle. ...Riickgang der Biererzeugung. »Kriegsbier«. Der »Malzausgleich«. Die Umstellung der Viehwirtschaft: Umfang des Fleischkonsums. Erzeugungsschwierigkeiten. Unentbehrlichkeit des Schweins fiir die Ernährungswirtschaft. Unmöglichkeit, die Schlacht- viehhaltung der verschmälerten Futtermittelbasis anzupassen. Verfütterungsverbot fiir Brotgetreide. Verfütterungsbeschränkungen fiir Hafer und Gerste. Ratio-nierung des Futterverbrauchs, Verfütterungsverbote fiir Kartoffeln und Zuckerriiben. Zu Kriegsbeginn erlassene Schlachtverbote. Gefährdung der Kartoffelversorgung durch die Schweinehaltung … Schweineabschlachtung. Unerwarteter Kartoffelüberfluß. Die öffentliche Bewirtschaftung des Schlachtviehs, Steigen der Schweinepreise nach Abschlu8 der Zwangsschlachtungen. ... Öffentliche Regelung der Fleischversorgung. Die Reichsfleischstelle."
usw. usw.
Tipp:
Gute Informationen - mit vielen Quellen - enthält das Buch:
Rund, Jürgen, Ernährungswirtschaft und Zwangsarbeit im Raum Hannover 1914 bis 1923, Hannover 1992
Kriegsgefangene
"Zwischen 6,6 und 8 Millionen Soldaten gerieten während des Ersten Weltkrieges in Gefangenschaft.
Bei etwa 60 Millionen Soldaten entsprach dies mehr als zehn Prozent aller Mobilisierten. In den Gefangenenlagern behielten die Soldaten ihren Status und Rang als Offiziere oder einfache Soldaten. Die Behandlung von Kriegsgefangenen regelte die "Haager Landkriegsordnung" von 1907: Gefangene sollten mit Menschlichkeit behandelt werden und in Bezug auf Nahrung und Unterkunft den eigenen Truppen gleichgestellt sein.
Die Umsetzung völkerrechtlicher Bestimmungen erwies sich in den Gefangenenlagern häufig als schwierig. Mitunter wurde das Völkerrecht bewusst nicht eingehalten: Soldaten wurden vor allem ab 1916 zum Arbeitseinsatz in Industrie, Bergbau und Landwirtschaft gezwungen, um den durch Fronteinsatz entstandenen Mangel an Arbeitskräften auszugleichen. Harte körperliche Arbeit bei unzureichender Ernährung führte bei vielen Gefangenen, die nicht auf Zusatzlieferungen aus der Heimat zurückgreifen konnten, zu teilweise hohen Todesraten.
Fast 2,5 Millionen Menschen aus 13 Staaten gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft. Bis 1915 entstanden allein in Deutschland über 100 Mannschaftslager. […] Bis Ende 1918 kamen über 800.000 Deutsche in Kriegsgefangenschaft. Die letzten von ihnen kehrten nach Ratifizierung des Versailler Vertrags im Januar 1920 aus alliierten Lagern in die Heimat zurück. Mit dem Fall der deutschen Kolonie Tsingtau im November 1914 waren auch etwa 5.000 Staatsangehörige des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns in japanische Kriegsgefangenschaft geraten. Sie wurden nach Japan befördert und dort zunächst auf 15 Lager verteilt.
URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg/kriegsverlauf/kriegsgefangenschaft.html
Arbeitskräfte aus dem Osten („zivile Saisonarbeiter“)
"Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs änderte sich die Qualität des Arbeitsverhältnisses der Polen maßgebend. Die Rückkehr in ihre Heimat wurde ihnen untersagt. Sie waren als landwirtschaftliche Arbeitskräfte nicht mehr entbehrlich. Bereits zu Kriegsbeginn hatten 3 Mio Deutsche, die in der Landwirtschaft tätig waren, als Kriegsfreiwillige oder Wehrpflichtige ihre Arbeitsstätten verlassen.
Ausländische Arbeitskräfte erlangten existentielle Bedeutung, um die Leistungsfähigkeit der preußischen Landwirtschaft und damit ein gleichbleibendes Niveau der Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Um den Bedarf einigermaßen decken zu können, wurden in den besetzten östlichen Gebieten weitere Arbeiter angeworben und zum Teil Zwangsdeportationen durchgeführt. Ihren Höhepunkt erreichten diese im Herbst und Winter 1916/1917. Betroffen waren davon vor allem polnische Juden. Diese Maßnahmen führten in Polen zu Empörungen und bereiteten dem Reich zusätzlichen außenpolitischen Schaden. Zum Einsatz von zivilen Arbeitern kamen seit der Ernte 1915 auch Kriegsgefangene aus Russland und Serbien.
Arbeitskräfte aus dem Westen
Seit Anfang 1915 steigerte sich der Bedarf an Arbeitern in der deutschen Schwerindustrie an Rhein und Ruhr erheblich, so dass ab Herbst auch Kriegsgefangene aus Frankreich, Belgien und Italien eingesetzt wurden. … Bis zum Sommer 1916 hatte sich der Arbeitskräftemangel so gesteigert, dass die deutschen Behörden ihre bisherigen Skrupel beiseite schoben und die zwangsweise Aushebung belgischer Zivilarbeiter in Gang setzten. Von Oktober 1916 bis Februar 1917 wurden so etwa 61.000 Belgier nach Deutschland verschleppt. ... Künftig setzte man wieder auf das freiwillige Kommen ausländischer Arbeiter, indem man die Lebensbedingungen in Belgien gezielt verschlechterte und damit Anreize zur Arbeitsaufnahme in Deutschland gab. Diese Strategie war tatsächlich erfolgreich, so dass von Februar 1917 bis zum Sommer 1918 rund 100.000 belgische Arbeitskräfte neu angeworben werden konnten.
Kriegsgefangene
Die Kriegsgefangenen machten den größten Teil der ausländischen Arbeitskräfte während des Ersten Weltkriegs aus. Ihre Anzahl belief sich während des Kriegs auf insgesamt 2.520.983 Gefangene, davon allein 1.434.529 aus Russland.
Während die Gefangenen aus den westlichen Feindstaaten vorwiegend in Industriebetrieben eingesetzt wurden, waren diejenigen aus den slawischen Ländern hauptsächlich in der Landwirtschaft tätig. Aus wirtschaftlicher Sicht verbuchte das Deutsche Reich durch den Einsatz der Kriegsgefangenen in Industrie und Landwirtschaft einen deutlichen Gewinn."
Quelle. https://www.bundesarchiv.de/zwangsarbeit/geschichte/kaiserreich/erster_weltkrieg/index.html
Kriegsgefangene in Deutschland
Bisher ist über Kriegsgefangene in der Wedemark kaum etwas bekannt. Nur Max Steinborn berichtet in seiner Geschichte von Gailhof, dass man ganz vage erzählt habe, dass es russische Kriegsgefangene gegeben habe, aber Genaues ist nicht bekannt.
Da schon 1914 eine große Zahl an Kriegsgefangenen gemacht wurden musste in allen beteiligten Ländern ein Organisationssystem für diese Menschen "aus dem Boden gestampft" werden.
Das kann hier nicht dargestellt werden, aber unmittelbar nach Kriegsende erschien bereits 1919 ein Buch, das aus offenbar liberal-konservativer Sicht einen ersten sachlichen Bericht im offiziellen Auftrag des Reichswehr-Ministeriums veröffentlichte.
Aus diesem Bericht stammt der tabellarische Auszug, der sich über mehrere Buchseiten erstreckt und deshalb nur so kleingedruckt wiedergegeben werden kann.
Die nächsten großen Kriegsgefangenenlager in unserem Bereich befanden sich im Gebiet Celle (Celler Schloss), Scheuen und Schwarmstedt.
Kriegsgefangenen-Lager
in der 10. Militär-Inspektion der preuß. Provinz Hannover
So lebten die Kriegsgefangenen 1918 in Celle
Stacheldrahtkrankheit, Hunger und Theateraufführungen:
Eine Ausstellung zeigt den Alltag in den Celler Kriegsgefangenenlagern des Ersten Weltkriegs.
„Die Hitze lastet schwer auf dem Sand der baumlosen Wege und auf dem geteerten Dach der Baracken“, schreibt Carlo Emilio Gadda unter dem Datum 21. Mai 1918. „Die Nachmittagsstunden fangen an, unerträglich zu werden.“ Der Grund dafür ist nicht nur, dass es heiß ist: „Mein körperliches Befinden ist mangelhaft; nervöse Gereiztheit, Kummer, Sehschwäche.“
Gadda, 1893 in Mailand geboren und 1973 in Rom gestorben, notiert diese Zeilen in seinem „Tagebuch der Gefangenschaft“. Er protokolliert sein Leben als Kriegsgefangener im Ersten Weltkrieg im sogenannten Cellelager, einem Barackenlager für bis zu 10000 Soldaten in dem Örtchen Scheuen, das damals vor den Toren von Celle lag und heute eingemeindet ist. Er schreibt jeweils dazu, wo er sich gerade befindet.
Meistens lautet die Formulierung: „Cellelager, Block C, Baracke 15, Schlafsaal B.“
Kriegsgefangenenlager in Celle
Vor allem Russen, Belgier und Italiener, aber auch Briten und Serben und Franzosen waren im Cellelager unter wenig erfreulichen Bedingungen eingesperrt. Es war eines der größten Lager in der Provinz. Aber kurioserweise trafen im Cellelager auch mehrere Künstler aufeinander, darunter eben jener Carlo Emilio Gadda (der später für die moderne italienische Literatur prägend wurde). Während ein paar Kilometer weg, im Celler Schloss, eine weitere Absonderlichkeit exitierte: das reichsweit einzige Lager für „Zivilgefangene höherer Lebensstellung“, mit rund 250 Insassen. Und mit deutlich mehr Komfort für die Herren, zu denen Professores und Doktores und Industrielle zählten. Ein Armenier in Celle Das Leben in beiden Lagern ist zur Zeit Thema einer Sonderausstellung im Celler Bomann-Museum. „Hinter Stacheldraht“ heißt sie. Anlass ist die 100. Wiederkehr des Kriegsendes. Auslöser aber war, dass Kuratorin Hilke Langhammer vor Jahren auf ein Fotoalbum mit Bildern aus jeder Zeit stieß und darin eine Aufnahme eines armenischen Offiziers fand.
Was machte ein Armenier in Celle?
Der Mann entpuppte sich als Duncan Heaton-Armstrong, halb Brite, halb Österreicher und Privatsekretär des deutschen Adeligen Wilhelm Prinz zu Wied, der wiederum ein halbes Jahr Fürst von Albanien war. Mit den Kindern des Fürsten hatte sich Heaton-Armstrong wegen der langsam brenzligen Sicherheitslage 1914 nach Deutschland aufgemacht – wo er, diplomaten-rechtswidrigerweise, als feindlicher Ausländer interniert wurde. Aber immerhin bewegte das alles Hilke Langhammer dazu, genauer hinzuschauen.
In Celle-Scheuen leiden die Gefangenen unter dem Wetter, „unter der andauernden Feuchtigkeit“, wie Carlo Emilio Gadda notiert. Und unter den Betten, die aus einer sargähnlichen Kiste und einem „Sack mit zusammengepresstem Gestrüpp“ bestehen. Schlimm sind auch die Demütigungen durch die Aufseher, bei Appellen und anderswo, man müsse „die flegelhaften Launen dieser Soldatenbrut“ ertragen, „wo der Deutsche den Menschen in sich verschwinden lässt und das habgierige, heuchlerische, schäbige und gemeine Raubtier herauskehrt“.
Und dieses Essen! „Säuerliche Rüben und stinkender Fisch“ und dergleichen. Graupen. Kohl. Gadda verwendet immer wieder den Begriff „sbobba“, eigentlich das italienische Wort für Brühe, aber es bedeutet auch „Fraß“.
Im Lager der Herren im Celler Schloss dagegen, wo viele bei Kriegsbeginn durchreisende Ausländer und etliche Priester eingesperrt sind, steht Rindfleisch mit Schnittlauchsoße auf dem Speiseplan, oder Spargel oder Räucherfisch. Und das selbst dann noch, als das ganze Reich, nach Missernten und Embargo und Steckrübenwinter, unter böser Lebensmittelknappheit leidet.
Um es deutlich zu sagen: Schön ist das Leben in dem Lager in Scheuen zwar nicht, und selbst die Schloss-Insassen fühlen sich, obwohl sie Dreiteiler tragen und einen Theatersaal haben, eingekerkert.
Aber das Gefangenendasein zu jener Zeit ist in keiner Weise mit dem Leid derer zu vergleichen, die zwei Jahrzehnte später den Nazis und der Wehrmacht in die Hände fallen. Im Ersten Weltkrieg schützt noch die Haager Landkriegsordnung Mannschaften wie Offiziere – sie müssen behandelt werden wie die eigenen Truppen. Das Internationale Rote Kreuz organisiert zudem Verpflegung aus den Heimatstaaten.
Eine Universität im Lager
In diesem Fall aber sind die Russen und die Italiener davon oft ausgenommen. Die Russen deswegen, weil Russland den Versand von Nahrungsmitteln nicht auf die Reihe kriegt. Und Italien, weil das Land zahllose Gefangene nicht als Gefangene sieht, sondern als Verräter und Deserteure, weil sie sich dem Feind in der Schlacht ergeben haben. Viele leiden also Hunger. Und sie leiden an der „Stacheldrahtkrankheit“, wie das damals die Seelendoktoren nannten: der Schmerz der Unfreiheit, der Untätigkeit, den Unwohlseins. Dagegen wurde aber auch was getan: Sport. Theater. Orchester. Gottesdienste. Chöre.
Es gab regelrechte Seminare einer eigenen Lageruniversität, mit Vorlesungen zu Kunst und Architektur und Physik und dergleichen. In Scheuen tauschen sich zudem drei italienische Intellektuelle aus, die der Zufall dort vereint hat: Außer Gadda sind das der Dramatiker Ugo Betti und der Germanist Bonaventura Tecchi. Sie diskutieren, sie schreiben über ihr Leben – Zeugnis davon legt das Buch „Die Baracke der Dichter“ ab (herausgegeben von Oskar Ansull, erschienen im zu Klampen-Verlag in Springe). Auch andere künstlerische Seelen befassen sich mit ihrem Lageralltag, Komponisten wie Giuseppe Denti, Zeichner wie Francesco Nonni. Gadda ist von sich selbst übrigens nicht überzeugt: „Meine Art zu schreiben, so hölzern wie meine Person, ist einfach schwer verdaulich.“ Später soll ihn sein Erfolg Lügen strafen.
Der Erste Weltkrieg endet am 11. November 1918. Nach ein paar Wirren verlässt Carlo Emilio Gadda Celle am 1. Januar 1919, da existiert das Lager offiziell gar nicht mehr. Später wird es wieder in Betrieb genommen, für russische Soldaten, die noch nicht nach Hause können, dann kommen dort ausgewiesene Deutschrussen und andere Heimatlose unter. 1925 ist endgültig Schluss in Scheuen.
Heute gibt es nur noch den Friedhof dort, für die 258 Toten aus der Kriegslagerzeit. Rundherum sind Wohngebiete. Die Leute dort graben bei der Gartenarbeit manchmal noch Knöpfe und Schnallen von damals aus dem Boden.
[...] Von Bert Strebe
Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 10.06.2018 Celle.
Zwangsbewirtschaftung:
"Schleichhandel"
Quellen: Beide Fotos aus dem Buch von Jürgen Rund, s.o.
Propaganda - Patriotismus - Nationalismus - Militarismus
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges entflammte ein riesiges Gemisch aus Propaganda, Patriotismus, Nationalismus und Militarismus, das alle Bereiche erfasste.
Anti-Militarismus - Pazifismus - Satire
1926
Quelle: Verlag 2001, Frankfurt; https://duckduckgo.com/?q=ernst+friedrich+ebenbild+gottes+mit+gasmaske&t=ffab&iar=images&iax=images&ia=images&iai=http%3A%2F%2Fwww.floating-flo.de%2FPIX%2Fkriegdemkriege1280px.jpg
Beispiele von Berichten aus Hannoverschen Zeitungen
Zeitungsmeldungen bei Kriegsausbruch 1914
aus dem "Lehrter Stadtblatt"
Das "Lehrter Stadtblatt" war das "Verkündigungsblatt des Magistrats und der Polizeiverwaltung der Stadt Lehrte". Es erschien von 1901- 1943 und berichtete aus dem Bereich Lehrte, Burgdorf, Region Hannover.
Schwerpunkt der Berichterstattung war Lehrte, aus anderen umliegenden Gebieten wurde nur berichtet, wenn von dort Meldungen nach Lehrte kamen. Es gab kein Netz von Korrespondenten.
Die hier folgende Darstellung bezieht sich nur auf den Kriegsanfang im August1914 und auf das Ende des Krieges. Sie ist nicht systematisch aufgebaut, sondern möchte unterschiedlichste Bereiche im Sinne eines Mosaiks mit vielen offenen Stellen abbilden, um dem Leser historische Eindrücke zu vermitteln. Es ist kein geschichtlicher Überblick und die Wedemark wird nur am Rande erwähnt, jedoch ist auch hier eine vergleichbare Lage.
Das Attentat von Sarajevo
(Am Anfang wurde eine Bombe geworfen. Als man sie wegstoßen konnte, folgten tödliche Revolverschüsse.)
Zeitungsmeldungen bei Kriegsende 1918
aus dem "Burgdorfer Kreisblatt"
"Das Burgdorfer Kreisblatt war eine in Burgdorf in der Region Hannover, Niedersachsen erschienene Tageszeitung, die sich im Untertitel zeitweilig als „überparteiliches und unabhängiges Heimatblatt“ bezeichnete und auch als amtliches Bekanntmachungsblatt fungierte. Das zuletzt im Burgdorfer Verlag Rumpeltin erschienene Blatt erschien erstmals im 19. Jahrhundert und ist ab dem Jahr 1869 dokumentiert. Während der Zeit des Nationalsozialismus und mitten im Zweiten Weltkrieg erschien das Burgdorfer Kreisblatt zuletzt im April 1945. Die spätere Fortführung der Tageszeitung wurde erst 1986 eingestellt mit der Ausgabe 100 des 121. Jahrgangs." (Wikipedia)
Burgdorfer Kreisblatt, 3.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 4.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 6.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 7.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 8.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 9.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 9.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 9.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 11.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 12.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 12.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 12.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 13.11.1918
Burgdorfer Kreiszeitung, 14.11.1918
Burgdorfer Kreiszeitung, 14.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 17.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 17.11.1918
Burgdorfer Kreisblatt, 17.11.1918
Die "Heimatfront" der Wedemark
Die Stichworte von Skalweit, s.o., machen deutlich, dass auch die Zivilbevölkerung im ganzen Kaiserreich vom Krieg betroffen war trotz regionaler Unterschiede, z.B. war die Ernährungslage auf dem Lande anders als in den Städten. Die dauernden Aufrufe zum Sammeln von allem Möglichen und die permanenten Aufforderungen zu Spenden aller Art - von Bekleidung, Schmuck bis Kirchenglocken - machen dieses deutlich.
Neben den fehlenden lokalen Informationen zum Weltkrieg finden wir in jedem Ort der Wedemark aber heute noch die Denkmäler, an denen jährlich zur Erinnerung an diese Ereignisse z.T. öffentliche Gedenkfeiern stattfinden, früher "Heldengedenktag", seit 1952 Volkstrauertag
Kriegerdenkmal auf dem Bissendorfer Friedhof
(Foto: Reiner Linnemüller)
Der Erste Weltkrieg in der Darstellung Wedemärker Lokalhistoriker
In den unterschiedlichen Ortschroniken der Wedemark hat dieser Krieg keine große Rolle gespielt! Dass das Schlachtgeschehen kaum in Deutschland stattfand, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das kann kein ausreichender Grund gewesen sein, denn vier Jahre Krieg mit militärischer Niederlage und dem Ende des Deutschen Kaiserreichs waren während der vorangehenden Kriegsjahre folgenreich für Deutschland im Inneren. Diese Sachverhalte werden unter dem Oberbegriff der Heimatfront erfasst.
Er "bezeichnet die Einbeziehung der Zivilbevölkerung in Kriegshandlungen, auch wenn die eigentliche Front außerhalb der Lebensräume der Bevölkerung liegt. Diese Einbeziehung kann zum Beispiel durch kriegerische Handlungen hinter der Front (wie Bombenangriffe) oder durch Arbeit der Zivilbevölkerung in der Rüstungsindustrie oder militärischen Logistik geschehen."
(https://de.wikipedia.org/wiki/Heimatfront)
Glockenweihe in Mellendorf 1928
In der vorigen Woche kam die von der Firma Gebrüder Radler-Hildesheim gegossene neue Glocke hier an. Der Ortsgeistliche, die Kirchenvorsteher, Lehrer und Schulkinder nahmen die neue Glocke auf dem Bahnhof in Empfang.
Nach dem gemeinsamen Gesange „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ setzte sich trotz des schlechten Wetters ein stattlicher Zug durch das Dorf in Bewegung. Nachdem das Gefährt mit der neuen Glocke, welche die Schulkinder mit frischen Kränzen geschmückt hatten, vor der Kirche angelangt war, sang der Männergesangverein unter Herrn Lehrer Witzels Leitung das vierstimmige Lied „Mit dem Herrn fang` alles an.“ Danach ergriff Herr Pastor Tomfohrde das Wort zu einer erhebenden Ansprache. Eine große Freude, so führte er u.a. der Geistliche aus, ist der Gemeinde widerfahren. Eine neue Glocke ist wiedergekommen. Die alte Glocke, im Jahre 1765 gegossen, mußte im Kriegsjahre 1917 abgeliefert werden. Alle Bemühungen, diese Glocke der Gemeinde zu erhalten, waren erfolglos. 152 Jahre hat die alte Glocke hier in der Gemeinde Freud` und Leid verkündet und in einer langen Zeit fünf Generation zum Gotteshause gerufen. Lange Jahre mußten wir uns mit einer Glocke begnügen, bis im Vorjahre durch den Kirchenvorstand die Anschaffung einer neuen Glocke beschlossen wurde. Der Guß der neuen Glocke, bei welcher die Kirchenvorsteher anwesend waren, erfolgte bereits vor einigen Monaten. Leider mißlang das Werk infolge gewisser und selten auftretender Mängel. Infolgedessen mußte der Meister noch einmal den Guß beginnen, dessen Werk nunmehr in schönster Vollendung vor und steht.
Die neue Glocke stimmt auf den Ton g, wiegt annähernd 12 Zentner von kostet 18.000 Reichsmark. Die trägt die Inschrift: „Geopfert für Vaterlandes Wehr 1917 - Neu erstanden zu Gottes Ehr`1928“. Darunter stehen die Bilder vom guten Hirten und segnenden Christus sowie die Namen des Pastors und der Kirchenvorsteher. - Mit dem Gesange „Großer Gott, wir loben dich“ schloß die eindrucksvolle Feier, welche am letzten Sonntag in der Kirche durch die zu Herzen gehende Weihestunde eine würdige Fortsetzung fand. Am Schluß des Gottesdienstes verkündete das Geläut der beiden Glocken der zahlreich versammelten Gemeinde, daß ein seit Jahren gehegter Wunsch seine Erfüllung gefunden und die schmerzlich empfundene Lücke nunmehr wieder ausgefüllt sei. Dann sprach Herr Pastor Tomfohrde, sprach in eindrucksvollen Worten von der würdevollen Aufgabe und Bedeutung der Glocken. Das ganze Leben einer Gemeinde und ihrer Glieder ist mit der Glocke verknüpft. Sie ruft den Täufling, mahnt die junge Schar der Einzusegnenden, geleitet mit fröhlichem Klange das junge Paar zum Traualtare, und mit ernsten Trauerschlägen begleitet sie die in Frieden Heimgegangenen auf ihrem letzten Wege. Als Betglocke will sie uns erinnern und unsere Herzen dreimal am Tage zu Gott aufrichten. Wenn schwere Unwetter hereinbrechen, wenn eine Feuersbrunst Leben und Eigentum bedrohen, dann gibt sie ist der Gemeinde kund. Möchte nie wieder die Zeit kommen, wo unsere Glocken Krieg oder Siege verkünden, möchte niemals für die Zwecke des Krieges wieder eine der Glocken geopfert werden. Friede sei ihr best` Geläute! – Hierauf sang die Gemeinde das Lied „Nun danket alle Gott“ - die Glockenweihe war beendet. …
Mellendorf, Freitag, d. 10. August 1928.
Otto Witzel, Organist und erster Lehrer,
z. Zt. 47 ½ Jahre alt.
Heinrich Henstorf berichtet 1939 von:
27 Gefallenen (bei ca. 900 Einwohnern Bissendorfs) und
30 weiteren Kriegsteilnehmern, die zurückkehrten.
Die Soldaten nennt er mit Namen, bezeichnet sie zeittypisch als Helden, nennt weitere militärische Informationen. Zusätzliche Informationen zum Kriegsverlauf gibt es nicht!
Cord Knibbe:
In dem nebenstehenden Buch hat der Verfasser Cord Knibbe eine
|