Rekrutenaushebung (Conscription) in der Amtsvogtei Bissendorf 1803
Anfang 1803 begann Napoleon mit Vorbereitungen für eine Invasion in England. Zu dieser Zeit bestand das hannoversche Heer aus ca. 20 000 Soldaten: Infantrie, Kavallerie und Artillerie. Allerdings war es völlig desorganisiert und hatte in Wirklichkeit nur geschätzt 8000 Soldaten, die teilweise demobilisiert waren, und es fehlten Hunderte von Pferden.
Der englische König Georg III., der gleichzeitig auch Kurfürst von Hannover war, ergriff Gegenmaßnahmen gegen die französische Bedrohung und erließ am 16. Mai 1803 gegenüber allen hannoverschen zuständigen Behörden den Befehl, im Kurfürstentum Hannover alle wehrfähigen Männer zu erfassen.
Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv Hannover,
https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/digitalisatViewer.action?detailid=v3436127&selectId=14976115 (Public Domain)
Dieser Erlass betraf natürlich auch die Amtsvogtei Bissendorf und ihren Amtsvogt Johann Jacob Elderhorst.
Verzeichnis der wehrfähigen Männer in der Amtsvogtei Bissendorf durch den Amtsvogt Elderhorst, 22. Mai 1803:
Quelle: s.o.
Archiv: Durch Ausschreiben angeordnete allgemeine Aufzeichnung der dienstfähigen Landesuntertanen, Signatur NLA HA Hann. 9f Nr. 590. Nds. Landesarchiv, Abt. Hannover
Zum Weiterlesen bitte Original-Datei anklicken:
| elderhorst-brf-staatsministerium-liste_der_wehrfähigen-2305-1803-gesamt-neu.pdf |
Die o.g. Liste liegt auch als TRANSKRIPT (Umschrift) vor:
Transcription des Anschreibens und den Bericht an das "Königliche und Churfürstliche Staats-Ministerium" durch den Amtsvogt Elderhorst:
pr. 23 May 1803
An Königliches und Churfürstliches Staats- Ministerium Bericht der Amtsvogtey Bissendorf
vom 22ten May 1803
Dem Befehle des hochverehrlichen Ausschreibens vom 16ten g. M. Gemäß überreichen wir Eure Excellenzen ehrerbietigst die Liste derjenigen hiesigen Amts-Unterthanen und Eingesessenen, welche, bey der am vorigen Freytag vorgewesenen Untersuchung, im eintretende Notfall zur Vertheidigung des Vaterlandes Waffenfähig erachtet worden sind.
Wir haben dabey in Rücksicht auf das
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das Alter das Prinzip von 16 bis zu 60 Jahren genommen, sämmtliche Schwächliche und Krüppliche daraus weggelassen und die Pensionierten Invalide nicht mit ausgeführt, da diese sich bey der […] , wo sie ihre Pension erhalten, Persönlich […] sollen, und wo man ihr Dienstvermögen näher prüfen wird. Die Zahl derjenigen, welche im letzten Revolutions-Kriege theils unter dem Gewehr, theils im Train gedient und sich bisher im hiesigen Amte aufgehalten haben, beläuft sich auf 14 Mann.
Das Patent vom 16ten hujus ist Zweckmässig publicirt und die Zusammenberufung der in der Liste aufgeführten Unterthanen, zum Zweck einer von ihren zu erhaltende beyfälligen Erklärung, zur Ableistung einer Vertheidigungs-Verpflichtung an Eides
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Statt, auf heute angesetzt gewesen. Wie wenig dabey unsere Wünsche erfült worden sind, ergiebt das angelegene Protocolhum, und bey der wiederholt angewendeten pflichtmässigen Bemühung, die durchaus keinen Eingang fanden, dürfen wir schwerlich eine erwünschte Umstimmung erwarten.
(?) v. Bothmer HJ. Elderhorst
Actum Bissendorf den 22ten May 1803
Zu Gegenwart des Land-Commissarii v. Bothmer und meiner des Amtsvogts Elderhorst; Amtschreiber Koch ist krank.
Nachdem das Patent des Königl.-Churfürstl. Staats-Ministerii vom 16ten hujus in hiesigem Amte Zweckmäßig bekannt gemacht, auch eine möglichst genaue Liste der Dienst- und Waffenfähigen Amts Unterthanen aufgestellt worden: So wurde die, sämtliche darin Namhaft gemachten, auf heute hierher vorgefordert, um von ihnen eine an Eides Statt abgelegte Versicherung zu erhalten: daß, wenn bey den gegenwärtigen öffentlichen Zeit-Umständen ihre Beyhülfe zur gemeinsamen Vertheidigung des Vaterlands in eintretenden
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Nothfällen erforderlich werden sollte sie so lange dieser Nothstand dauern und die Vertheidigung des Vaterlandes erforderlich sey dahin, wohin sie zu solchem Zweck würden erfordert werden, sich unweigerlich stellen wollen.
Um diesen Zweck zu erreichen wurde ihnen Amtswegen die jetzige Lage des Vaterlands, ihre eigenen Verhältnisse, und die heilsamen hohern? Bewegungs- Gründe, die das algemeine Wohl der Unterthanen der Churlände allein zum Grunde hätten, dringend vorgestelt, und von ihnen ein beyfällige Erklärung [verwendet?]. Alle versicherten einstimmig, daß sie zwar ihrem Vaterland stets getreu bleiben, zu dem Ende auf sich nicht aus selbigen entfernen wollen; indessen könnten sie so wenig auf wirkliche Militärdienste noch
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noch weniger aber, als Bauern auf Gegenwehr gegen die Franzosen, wenn sie ja in unserem Lande eindringen sollten, sich einlassen; Denn es wären noch manche unter ihnen, die theils im siebenjährigen Teils im Revolutions-Kriege davon die traurigsten Folgen selbst mit angesehen hätten; Indem würde kein Bauer in einer so kritischen Zeit, seinen Hof verlassen können, wenn dieser nicht total ruiniert werden solle. Die müssten daher bitten, daß sie mit den von ihnen verlangt werdenden Angelöbniß, auf welches sie durchaus sich nicht einlassen könnten, verschont bleiben. Da, ohngeachtet aller angwendeten wiederholten Vorstellungen, keine beyfälligen Entschliessung zu bemerken stand, so wurden sämtliche Erschienenen entlassen.
Actum ut hupra in fidem [= in Treue verhandelt wie oben geschrieben]
(?) v. Bothmer HJ. Elderhorst
Anmerkung: Die Gemusterten weigerten sich, sich der wiederholten Aufforderung anzuschließen und Elderhorst entließ sie daraufhin.
Das Dokument wurde von Friedrich Thümler transkribiert und von Karen Kolp unterstützt. Es liegt erstmalig in dieser Forn vor.
Zum Weiterlesen bitte Datei anklicken:
| napoleon-liste_wehrfähiger_maenner-transkript-amtsvogtei_bissd-elderhorst.pdf |
1810
Aufforderung durch den Bürgermeisters der Gemeinde (Maire de Commune), sich zur Conscription zu melden:
Zum Autor Friedrich Thimme:
Er war Historiker und einflussreicher Publizist Ende des 19. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im folgenden (von der Universität Göttingen preisgekrönten) Werk kritisiert er vor allem das englische Königtum unter Georg III. und die von ihm abhängigen Verhältnisse im Kurfüstentum Hannover (1803 - 1813), das er nie persönlich besuchte.
In diesem Auszug geht es insbesondere um den katastrophalen Zustand des hannoverschen Militärs und die kurfürstliche Verwaltung in dem Krisenjahr 1803, als es um Napoleons Pläne in Deutschland ging und die Bedrohung durch napoleonische Truppen in seinen Auseinandersetzungen mit England.
Thimmes Ausführungen bilden den Hintergrund und das Umfeld der Rekrutenerfassung durch Elderhorst in der Amtsvogtei Bissendorf.
Zum Lesen des Textauszuges bitte anklicken:
| thimme-innere_zustände-kurfürstentum_hannover-1803-1813-militär.pdf |
Der folgende Textauszug schließt sich inhaltlich an, bitte anklicken:
| thimme-innere_zustände-kurfürstentum_hannover-1803-1813-militär-teil_2.pdf |
Hannoversche Soldaten in anderen Heeren:
Auch in dieser Zeit war es durchaus nicht ungewöhnlich, in Militärverbänden anderer Feudalstaaten zu "dienen". Zum Beispiel setzte Napoleon internationale Verbände regelmäßig für seine Eroberungs-politik ein. Andere Staaten taten es ebenso.
Aus Brelingen ist ein Beispiel bekannt, dass Friedrich Reinecke, gebürtig aus Erichshagen bei Nienburg, ab 1804 Soldat in der englischen "King's German Legion" war. Das hatte wahrscheinlich grundsätzlich auch mit der Personalunion zwischen dem Kurfürstentum Hannover und dem Königreich Großbritannien zu tun.
Vorangegangen war der Krieg zwischen England und Frankreich, wobei Hannover auf britischer Seite teilnahm und verlor.
"Mit der Konvention von Artlenburg - nach der Niederlage gegen ein französisches Heer - auch Lauenburger Konvention oder Elbkonvention genannt, erklärte die kurhannoversche Armee am 5. Juli 1803 in Artlenburg ihre Selbstauflösung. De facto stellte die Konvention die Kapitulation des Kurfürstentums Hannover ... vor dem Heer Napoleons dar. Die Stammlande des damaligen britischen Königshauses gerieten damit unter die Kontrolle Frankreichs.
[...]
Vorgeschichte: die Konvention von Sulingen ... erklärte Großbritannien am 16. Mai 1803 Frankreich erneut den Krieg. Der Versuch, gleichzeitig das vom britischen Herrscher in Personalunion regierte Kurfürstentum Hannover für neutral zu erklären, wurde von Frankreich ignoriert. Bereits am 26. Mai drangen französischen Truppen ... in das Kurfürstentum ein. Sowohl König Georg III. als auch Ernst Ludwig Julius von Lenthe, der Minister der Deutschen Kanzlei am englischen Königshof, hatten die Lage völlig falsch eingeschätzt.
Der Befehlshaber der kurhannoverschen Armee, Feldmarschall Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn, war überfordert und meinte, der napoleonischen Armee nicht gewachsen zu sein. Hilfe von außen war nicht zu erwarten: Hannovers Nachbar Preußen fuhr seit 1795, ... einen Neutralitätskurs. Tatsächlich aber taktierte Berlin insgeheim mit den Franzosen und sollte sich von diesen sogar, ... das inzwischen französisch besetzte Kurfürstentum „schenken“ lassen. Angesichts der eigenen militärischen Unterlegenheit befahl Wallmoden-Gimborn, keinen Widerstand zu leisten. Kurfürstliche Unterhändler zogen dem französischen Generalleutnant Mortier entgegen, dessen Heer von der Weser gegen Hannover vorrückte. Sie sahen sich genötigt, am 3. Juni 1803 in Sulingen ... eine Konvention mit Mortier abzuschließen, durch die die kurhannoversche Armee verpflichtet wurde, sich für die Dauer des Kriegs auf das Ostufer der Elbe, in das Herzogtum Sachsen-Lauenburg, zurückzuziehen. Daraufhin besetzten am 5. Juni 1803 die französischen Truppen die gut bevorratete Festung Hameln und die Hauptstadt Hannover, wo Mortier das Hardenbergsche Haus zu seinem Quartier bestimmte. Der Weg zur Konvention von Artlenburg Die Konvention von Sulingen war lediglich paraphiert worden. Napoleon suchte – und fand – einen Vorwand, um die Ratifizierung der Konvention zu verweigern, denn er war auf eine vollständige Unterwerfung des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg aus. Die französischen Truppen rückten weiter vor. Daraufhin unterzeichnete Wallmoden-Gimborn am 5. Juli 1803 in Artlenburg die weitergehende Konvention über die Kapitulation des Kurfürstentums Hannover, die Auflösung der rund 17.000 Mann starken kurhannoverschen Armee und die Übergabe ihrer Waffen an die Franzosen."
Quelle: Wikipedia (bearbeitet)
King's German Legion
Im Gefolge der Konvention entstand die "King's German Legion", ein deutsch-britischer Großverband, der international kämpfte und dem ab 1804 Friedrich Reinecke aus angehörte.
Ob ein Handgeld bei der Verpflichtung oder ein Ausweichen von französischer Conscription der Grund war, ist nicht zu klären.
Quelle: Fam. Niemeyer, Brelingen, Privatbesitz
Leichtes Bataillon der "King's German Legion":
Quelle: https://www.wikiwand.com/de/King%E2%80%99s_German_Legion#Media/Datei:Kn%C3%B6tel_III,_12.jpg
Da dieser Verband auch an der Schlacht bei Waterloo 1815 teilnahm, gibt es auch einen Nachweis für den Sergeant Friedrich Reinecke:
Nach seiner Entlassung ließ Friedrich Reinecke sich 1816 in Stöckendrebber nieder.
Quelle: Militärpapier, Privatbesitz s.o.
Soldaten -
die eigenen, preußische, ausländische und die Besatzungstruppen
Zwischen den verschiedenn Soldatengruppen und den hinter ihnen stehenden unterschiedlichen politischen Interessen lagen vielfältige, schnell wechselnde Konflikte während der Herrschaft Napoleons. Nicht erwähnt ist hier die ansässige Land- und Stadbevölkerung, auf deren Rücken die immer neuen Kriegssteuern ausgetragen wurden, der Unterhalt fremder Heere, häufige Einquartierungen im eigenen Haus, die Masse der Kriegerfuhren (s. Paul Gimmler), Conscriptionen für ausländische Heeresverbände usw. usw. Alltagskonflikte mit fremden Soldaten gehörten ebenso dazu.
Häufig gab es z.B. Wirtshaus-Schlägereien, in die die französische Besatzungsmacht selbst eingriff, ein Beispiel aus Osnabrück, 1804:
Quelle: Gebundene Ausgabe öffentlicher Bekanntmachungen ab 1796, Privatbesitz Reiner Linnemüller
Militär in der Wedemark
(Zeitungsberichte)
Anwerbung von Soldaten, Flucht vor Proscriptionen (Soldaten-aushebung) und Desertation (Fahnenenflucht)
Bewegte Wochen in der Wedemark
Ausschreitungen des 2. Kavallerie-Regiments in der Amtsvogtei Bissendorf
Von Adolf Meyer
Wenn heutzutage Militär in unsere Dörfer kommt und dort einquartiert wird, herrscht bei der Jugend meistens Begeisterung und bei den Erwachsenen zumindest freundliches Wohlwollen. Differenzen und Spannungen gibt es relativ selten. Und wenn Schäden entstehen, werden sie korrekt aufgenommen und reguliert. Aber nicht immer war die Einquartierung eine beliebte Abwechslung im grauen Alltag. In den Jahren 1798 und 1799 war das 2. Kurhannoversche Kavallerie-Regiment längere Zeit in der Wedemark einquartiert. Je länger die Einquartierung dauerte, desto größer wurden die Spannungen und Reibereien zwischen den Einwohnern und den Soldaten, nicht zuletzt deswegen, weil das Militär vielfach auf Kosten der Einwohner lebte. Schließlich türmten sich bei der Amtsvogtei die Beschwerdebriefe und Protokolle. Aus ihrem Inhalt sollen hier die wichtigsten Zwischenfälle zusammengestellt werden.
Fenster werden zertrümmert 20. Februar 1798:
Halbmeyer Heinrich Friedrich Thies aus Meitze „gab vom Munde: Zwischen 12 und 1 Uhr in der Nacht vom 18ten auf den 19ten g. M. habe ihm jemand drey ganze Fach seiner Stubenfenster, die hinten im Hause nach dem Garten zu lägen, bis auf wenige Ruthen muthwillig zerschlagen. Den Schlägen nach zu urtheilen sey das Werk wenigstens von 2 Personen verrichtet worden. Er sey zwar sofort aus dem Bette neben der Stube hervorgesprungen, habe jedoch niemanden wegen der Dunkelheit der Nacht und Eile der Thäter mehr wahrnehmen können. Auch habe der damalige Frost im Erdreiche die Bemerkung einiger Spuren von den Füßen unthunlich gemacht . , .“ Da er mit niemandem Streit habe, vermute er, das es Soldaten aus Übermut getan hätten. Am gleichen Tage zeigte der Viertelhöfner Johann Hermann Gieseke aus Gailhof einen ähnlichen Fall aus derselben Nacht an. Vier Fenster wurden bei ihm völlig zertrümmert, drei schwer beschädigt. Der Schaden betrage vier Pistolen. Es sei kurz nach ein Uhr gewesen. Er habe noch wach gelegen und vorher Schritte aus Richtung Meitze kommen hören. Nach der Tat hätte er die beiden Täter wegen des sternklaren Himmels davonlaufen sehen, und zwar über Simon Mielmanns und Engelken Hof, „Beyde Kerle seyen sehr groß gewesen.“ Am 12, März 1798 erschien der Köthner Hans Heinrich Rudolph Dedeke aus Wennebostel mit folgendem Vortrage: Ihm seien in der vorletzten Nacht 5 Fenster eingeschlagen, und zwar mit solcher Wucht, daß er im abseits stehenden Bette noch mit Scherben überschüttet worden sei. Er habe jedoch mit keinem Streit gehabt. „Indessen sey es ihm doch sehr wunderbar, daß bereits gestern, folglich wenige Stunden nach Verübung der Bosheit, im Strubeschen Kruge einige Reuter die von seiner Ehefrau über den gehabten Schrecken während des Einschlagens der Fenster ausgestoßenen Worte unter sich spöttisch und hohnlächelnd nachgesprochen hätten.“
Für neun Tage „Vollpension“ nur sechs Groschen
„Auch mit seinem bis zum Dingstag vor dem Frevel im Quartier gehabten Reuter Lehrmann habe er zwar keinen Zwist gehabt, jedoch habe ihm derselbe als er, Deponent, auf dessen Befragen beim Abgang was er schuldig sey, solches lediglich desselben Willkühr überlassen und mit Allem friedlich seyn zu wollen erklärt habe, unter Äußerung einiges Umwillens überhaupt 6 mg. auf den Tisch gelegt; welche Er, Deponent, denn auch zu sich genommen, und doch nur für eine sehr mäßige Bezahlung dafür, daß er demselben 9 Tage hindurch sowohl Mittags- als Abend-Essen und selbst Kaffee verabreicht habe, halten könne. Nicht zu gedenken, daß er den durch die Sache verursachten Schaden nicht mit 3 Pistolen stehen könne, welche Ausgabe ihm natürlich bey den jetzigen mannigfaltigen Beschwernissen sehr drückend werde, so sehe er sich auch genöthiget, mit seiner Familie die ersten Wochen hindurch in der Stube und Kammer ohne Fenster zuzubringen ... denn er fürchte sich vor einer Wiederholung des Frevels um so mehr, da ihm die Ehefrau des Trainknechts Krüger vom 2ten Cavallerie-Regimente versichert habe, daß in der Gegend von Langwedel, woselbst das Regiment vorhin sein Cantonnements-Quartier gehabt, einem Hausmann nach Zerstörung seiner Fenster auf gleiche Weise selbige wieder hergestellt habe, solche neue Fenster sofort zum andern Male seyen eingeschlagen worden.“ Statt daß das Amt irgendwelche Schritte unternahm, „entließ man den Caesum mit der Bedeutung, Nachforschungen, um dem Thäter auf die Spur zu gerathen, fleissigst resp. Selbst anzustellen und anstellen zu lassen, und bey Entdeckung des geringsten Verdachts darüber Anzeige anhero abzulegen . . .“
Schlägerei beim Tanzvergnügen 5. August 1798:
Geschworener Langehennig aus Meitze berichtete von einer wüsten Schlägerei unter zwei Soldatengruppen in seiner Wohnstube, „daß alles wie Kraut und Rüben an dem Erdboden gelegen“. Auch etliche Fensterscheiben wurden dabei zertrümmert. Die „siegreiche“ Mannschaft erstattete jedoch den Schaden. Wenige Wochen danach, am 23. September, mußte derselbe wieder von einer Schlägerei berichten. Man hatte ein kleines Tanzvergnügen in Johann Heinrich Ahlvers Hause, in dem keine Soldaten lagen, veranstaltet. Die jungen Leute tanzten wie gewöhnlich auf der Diele, die älteren saßen gemütlich in der Stube beisammen. Um zehn Uhr abends entstanden plötzlich Lärm und Spektakel. Fünf Reiter, die in Hellendorf und Meitze im Quartier lagen, hatten sich unter die Tanzenden gemischt, „mit der übrigen Tanzgesellschaft zusammengefallen, sich an der Erde in den Haaren gelegen, und alles durch einander sich dergestalt gerauft und geschlagen habe, daß jene Reuter am Ende mit blutigen Köpfen die Flucht nehmen müßen“. 23. September 1798: Der Geschworene Bartram aus Hellendorf beschwerte sich, daß die Unteroffiziere der vierten Kompanie eine Generalquittung verlangten, „daß jeder Hauswirth von dem bei ihm einquartierten Reuter richtige Zahlung für den ihm gereichten Unterhalt pp. von deßen Ankunft an bis jetzt her empfangen habe“, Diese Zahlungen waren nie erfolgt.
Die Reiter drücken sich um die Verpflegungskosten 20. Oktober 1798:
Der Geschworene Belsmeyer aus Plumhof zeigt an, daß dem Kötner Heinrich Alpers zu Berkhof zwei Stuben- und zwei Kammerfenster völlig ruiniert worden seien. Der Schaden betrage wenigstens 15 Taler. Da Alpers mit niemandem in Streit oder Feindschaft lebe, falle der Verdacht auf den Reiter, der vor einiger Zeit auf dem Hofe einquartiert war, sich aber geweigert hatte, die entstandenen Unkosten zu begleichen. Über diesen Reiter Blanke von der Kompanie des Rittmeisters von Alten berichtet Alpers lt. Protokoll: „Nachdem er würklich diesen Reuter ungefär 3 Monate hindurch im Hause gehabt, und derselbe sich bis dahin nicht das Geringste über eine Beköstigungs pp, - Vergütung merken lassen, ja auch im lezten solchen Monate ihm sogar nicht einmal das Brodt gebracht habe, vielmehr hingegen es fast beständig gemieden, mit ihm und seiner Ehefrau zu essen, zu dem Behuf, sobald es Mittag geworden, fortgegangen, und dann nicht eher als bis sie abgegessen gehabt, wiedergekommen sey, wo man denn für ihn habe besonders zurichten und aufdecken müssen: - so habe denn endlich seine Frau, der dieses Betragen natürlich, zumal in der Erndtezeit, äusserst lästig gewesen, mit größter Bescheidenheit und bittend dem Reuter angetragen, daß er doch zur gewöhnlichen Mittagszeit so viel thunlich bey der Hand seyn und, gleich allen seinen übrigen Cameraden, mit ihnen gemeinschaftlich zu Tisch gehen möge. Darauf habe derselbe seine Frau ein dummes Weib genannt, äußerst heftig zu lärmen und zu toben angefangen und trotzig 3 Gulden mit den Worten auf den Tisch geworfen, daß er das wohl bleiben lassen, vielmehr, was er genossen, bezahlen wolle, und zwar monatlich auf 1 Gulden ... Weil er jedoch bei der ungefär 8 Tage darnach vorgenommenen Umquartirung dieses Reuters Blanke selbigen jene seine Freigebigkeit gereuet seyn, und er es für besser gehalten haben müsse, das Geld quaest. wiederum an sich zu ziehen: so habe derselbe gerade im Begriff der Abreise obige 3 Gulden von ihm unter dem Vorgeben zurückgefordert, daß sie nun mal Rechnung machen sollten, was denn auch Er, Deponent, sofort wieder hervor geholt habe. Reuter Blanke habe hiernächst nicht nur für 4tägige Arbeitshülfe beim Mähen den sehr hohen Preis von täglich 9 mg angesetzt, sondern sich auch sogar auf die abgelieferte Brodt-Portion, die bekanntlich höchstens 30 mg werth sey, monatlich 12 mg. wiederum zurück und gut gerechnet, unter dem Vorwande, daß, falls er, Reuter, dieses Brodt selbst gegessen, er alsdenn nur höchstens monatlich 12 bis 18 g verzehre, mithin dadurch, daß er, Deponent, daran Theil genommen, einen Schaden von wenigstens monatlich 12 g gehabt habe. So sonderbar nun auch diese Berechnungsart gewesen, und so sehr er nachmals darüber, daß er sich solches gefallen lassen, von seinen Nachbarn ausgelacht worden, so habe er sich jedoch der Absicht des Reuters auf die Art ohne Bezahlung durchzukommen, um so weniger entgegengesetzt, da er gern mit jedem in Ruhe und Frieden lebe . . .“ So habe er schließlich für 3½ Monate Verpflegung des Reiters ganze fünfzehn Groschen bares Geld erhalten.
Einquartierung mit Waffengewalt angedroht 20. Oktober 1798:
Geschworener Bestenbostel aus Brelingen trug auf dem Amte vor, ihm seien sämtliche Stuben- und ein Kammerfenster in der vorletzten Nacht völlig zertrümmert worden. Der Schaden belaufe sich auf wenigstens zwanzig Taler. Die Spuren der drei Täter seien durch Hennig Sandvossen und Cord Heinrich Martens Hof hindurch zu verfolgen gewesen und deuteten wegen der Eisenabdrücke auf Reiter als Täter hin. Er vermute, daß man wegen der Differenzen, die er mit dem Cornet Lehmann und Quartiermeister Seegers gehabt habe, diesen Racheakt an ihm verübt habe. Obwohl er als Geschworener von Einquartierungen frei sei, habe Lehmann ihm mit Waffengewalt einen Reiter ins Haus legen und ihn sogar arretieren wollen. Solche Schandtaten hätten nicht einmal die Franzosen während des Siebenjährigen Krieges verübt. Er bitte, bei den Untersuchungen in dieser Sache, seinen Namen möglichst nicht zu nennen, „indem er sonst vielleicht noch weit mehr risquiren werde“.
Heu, Stroh und Horn gestohlen 31. Oktober 1798:
Der Einwohner Johann Heinrich Wiese aus Oegenbostel zeigt den Reiter Rohlfs an, der mehrfach Heu, Stroh und Korn von seinem Boden gestohlen hatte. Seinen Knecht Lindwedel, der ihn dabei unterstützte, hatte der Bauer schon entlassen. 18. November 1798: Der Geschworene aus Hellendorf beschwert sich auf dem Amt, der zu Bennemühlen einquartierte Rittmeister von Alten habe durch den Korporal Hundertmark angeordnet, „daß er die auf dem Felde zwischen dem Allerhop und Hellendorf befindlichen Warnungslöcher zuwerfen solle, indem er, der Rittmeister, sonst daselbst zur Nachtzeit nicht sicher reiten könne. Er, Bertram, denke aber nicht daran; denn diese Löcher befänden sich auf den Feldstücken und wären dazu angelegt, um Beschädigungen der Felder durch Fuhrwerke zu verhindern. Der Fahrweg gehe zwar dicht daran vorbei, sei aber wenigstens zwei Wagenspuren breit, ein harter Sandweg und in bestem Zustande.
Schikanen bei der Auswahl der Quartiere 20. November 1798:
Halbmeier Johann Jürgen Brauckmann aus Mellendorf beschwert sich, daß Quartiermeister Bissmann ihn gezwungen habe, innerhalb von einer Stunde seinen Stall zu räumen, damit ein zweiter Reiter untergebracht werden könne. Dabei seien zur Zeit in 44 einquartierungspflichtigen Hofstellen nur 15 Mann untergebracht. Ihn mit einem zweiten Reiter zu belasten, halte er für eine unbillige Härte. Ärger hatte er auch mit dem Bezahlen der Einquartierungskosten gehabt. Auch sonst schikanierten die Soldaten sie bei jeder Gelegenheit. So verlangten sie auch in der Erntezeit, daß pünktlich mittags zwölf Uhr und abends sieben Uhr das Essen auf dem Tisch stand. Als sich Brauckmann bei Leutnant von Gruben beschwerte, kündigte dieser an, „daß er ihm nunmehr den gröbsten Kerl, welchen er bei der Compagnie habe, ins Haus legen wolle. Daraufhin kam ein Reiter namens Lindlov ins Quartier, betrug sich aber außerordentlich gut, obwohl er - wie er selbst bekannte – von Gruben die Anweisung erhalten hatte, „so grob und leeg zu seyn, als er nur immer könne“. Als Gruben das erfuhr, wurde Lindlov prompt abgelöst. Er, Brauckmann, vermute daß hinter Grubens Einstellung dessen Quartierwirt Stuke stecke, der ihm noch nie wohlgesonnen gewesen sei. Während das Amt im allgemeinen daraufhinwirkte, die Einwohner zu besänftigen, versprach es hier Abhilfe zu schaffen.
Nachtwächter niedergeschlagen 26. November 1798:
Der Leibzüchter (Altenteiler) Andreas Köhter aus Mellendorf, der noch Nachtwächterdienste auf der Bleiche des Kaufmanns Louis zu Bennemühlen versah, berichtete, verkleidete Soldaten hätten nachts Durchgang durch den Bleichhof verlangt und, als er ihnen versagt wurde, gewaltsam das Tor aufgebrochen, ihn niedergeschlagen und mit eisernen Ladestöcken so geschlagen, daß er vier Tage habe keinen Dienst tun können und noch jetzt Rippenschmerzen habe. Er selbst verzichte auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes oder anderer Genugtuung, da er wisse, daß das Regiment keinerlei Untersuchung vorgenommen habe, obwohl Leutnant von Schrader, der auf der Bleiche einquartiert sei, genau davon wisse. 27. November 1798: Der Geschworene Bestenbostel aus Brelingen berichtete, Major von Alten habe eine Quittung darüber verlangt, daß alle in Brelingen einquartierten Reiter die Unterhaltskosten bezahlt hätten. Er hätte sich geweigert, da er eine solche Erklärung ohne vorherige Befragung der Hauswirte nicht abgeben könne. Er nehme an, daß noch etliche Zahlungen ausständen. So viel er wisse, erhielten von den Hauswirten „nur sehr wenige zu der Brotportion eine monatliche Vergütung von 24 mg, einige aber nichts weiter als das Brodt in Natur . .“ Viele Reiter hätten noch gar nichts bezahlt, fragten ihre Wirtsleute auch nicht, was sie schuldig seien, brächten auch das ihnen zugeteilte Heu und Brot nicht mit ins Quartier, sondern schienen zu glauben, daß ihre Pferde von den Bauern kostenlos gefüttert würden, wenn sie nur ein paarmal auf dem Hof mit Hand anlegten. Die meisten Einwohner unternähmen auch nichts gegen diesen Mißstand, nur „um Ruhe und Friede im Haus zu behalten“.
Schlägerei im Posthause 3. Dezember 1798:
Geschworene Scheehagen aus Mellendorf zeigte auf dem Amte an: Am Abend des 2. Dezember kam es im Posthause zwischen dem Korporal Großmann und dem Soldaten Fasterding nach dem Kartenspiel zu einer Schlägerei. „Mehrere Gläser, Boutellien (Flaschen) und dergleichen“ wurden bei der Rauferei zertrümmert. Posthalter Mohlfeld verlangte Schadenersatz und erbat dabei Amtshilfe. Als Zeugen benannte er den Soldaten Hartmann und den Höker Johann Heinrich Stucke. 9. Dezember 1798: Geschworener Langehennig aus Meitze gab zu Protokoll, daß Wachtmeister Engelah verlangt habe, er, Langehennig, solle den Reiter bei sich aufnehmen, der jetzt beim „Pensionair-Constabler“ Christoph Wöhlers einquartiert sei. Wenn er sich weigere, werde ihm ein anderer Reiter geschickt. Dabei wisse der Wachtmeister sehr gut, daß er als Geschworener von Einquartierungen befreit sei und daß über die Unterbringung nicht die Soldaten sondern er zu befinden habe, weil er die bessere Ortskenntnis besitze und deshalb die Lasten am besten verteilen könne. Etwas Ähnliches habe Wachtmeister Engelah neulich bei Hans Ernst Willers zu Meitze versucht, obwohl die zwei Reiter „doch diesem gar nicht zufielen, ... und sich auf seine, Deponentens, Vorstellung über diese Härte dahin geäußert daß man diesen Bauern dadurch mal in Ordnung bringen müsse“. Mehrere Anzeigen des Vogts Schäfer liegen unter den Akten, nach denen es in den Gastwirtschaften große Schwierigkeiten gab, die Soldaten um zehn Uhr, der Polizeistunde, zu entfernen. Als Spiele werden „Drei Karten – drei Pfennig“, „Solo-Spiel um Vits-Bohnen“, aber auch Hazard mit hohen Einsätzen genannt. Die Wirte wagten nicht, sich den Soldaten gegenüber durchzusetzen, weil sie sonst mancherlei Nachteile befürchten mußten. Bleibt zu fragen, was schließlich durch diese große Zahl an Beschwerden, Eingaben, Anzeigen usw. erreicht wurde. Alle diese Unterlagen wurden dem Feldmarschall Reichsgraf von Walmoden- Gimborn zugeschickt. Der nahm jedoch die Sache auf die leichte Schulter und meinte, man suche auf diese Weise nur seinen Unwillen gegen Militär und Einquartierungen zum Ausdruck zu bringen. Die Exzesse seien ja größtenteils nur Vermutungen und nicht erwiesen. Ja, man verdächtigte sogar den Amtsschreiber Koch in Bissendorf der Parteilichkeit, da alle Protokolle von ihm aufgenommen worden waren. Nicht ableugnen konnten jedoch die Offiziere, daß es mit der Disziplin im 2. Hannoverschen Kavallerie-Regiment nicht gerade zum besten bestellt war.
Quelle: Akten des Nds. Staatsarchivs Hannover, Hann. 41, 1, 159. Wedemark-Echo 29. August 1969
Brelinger Urteil über Napoleon
Was Pastor Heinrich Wilhelm Müller aus dem Jahre 1809 in die Kirchbücher schrieb Brelingen. Als die Welt am 15. August des 200. Geburtstages Napoleon gedachte, da konnten sich die Brelinger in die 30 Folioseiten ihrer Kirchenbücher vertiefen, die den Federn ihrer Pastoren Gottlieb Ludowig Holscher und Heinrich Wilhelm Müller entstammen und über Wetter und Weltgeschehen der Jahre 1801 bis 1827 berichten. Pastor Holscher hat bis zu seinem im Jahre 1808 erfolgten Tode alles getreulich berichtet., was in der Franzosenzeit in der Amtsvogtei Bissendorf vor sich ging, an Truppendurchzügen, Einquartierungen, Rekrutierungen, Pferdemusterungen usw. Der Name „Napoleon“ fiel aber bei diesen Aufzeichnungen nicht. Der begriff von der Obrigkeit nach Römer 13 hat es bei ihm wohn nicht zugelassen Anders scheint das bei seinem Nachfolger Pastor Müller gewesen zu sein, der aus Rethem an der Aller gerade wegen der „Franzosenzeit“ nach Brelingen versetzt wurde und sein Amt am 25. Juni 1809 hier antrat. Die Fortsetzung der Eintragungen seines Vorgängers beginnt er mit seinem eigenen Lebenslauf, dem sich gleich sein Urteil über Napoleon anschließt. Er schreibt: „Die Hauptursache meiner letzten Translocation (Versetzung) war die fast unaufhörliche Einquartierung, durch welche, weil sie stets mit der herrlichsten Bewirtung, Essen und Trinken – einer bisher in der gesitteten Welt ganz ungewöhnlichen Sache – verbunden war (welche jedoch auch die höchsten und war rechts sein wollende Offiziere sich wohlgefallen ließen), Bonaparte, dies schändliche Ungeheuer, als Urheber derselben, noch nach Jahrhunderten, der Welt unaussprechlich schaden wird. Nach der strengsten Wahrheit kann ich, Pastor Möller, behaupten, daß solche Einquartierung in Rethem alljährlich mir wenigstens 200 Reichstaler kostete. Hier in Brelingen traf sie mich nur selten. Aus den Eintragungen im Kirchenbuch ist allerdings nicht ersichtlich, wann Pastor Müller sein Urteil über Napoleon abgegeben hat: ob am Anfang oder am Ende seiner Brelinger Zeit; denn seine Aufzeichnungen umfassen die Zeit von 1809 bis 1827.
Quelle: Wedemark Echo, 22.9.1969
In der Zeit Napoleons und seiner Machtbestrebungen in Europa gehörten die o.g. Erscheinungen zum Alltag der Bevölkerung.
Wedemärker Kriegstote in Feldzügen von Napoleon Bonaparte
Aus Kirchenbüchern:
Historische Ereignisse, wie zum z.B. die Napoleonische Zeit, schlagen sich in vielerlei Art für nachfolgende Generationen nieder. Die in solchen Zeiten lebenden einzelnen Menschen sind stets die Hauptbetroffenen und sind als solche doch kaum erkennbar. Über Geburt und Tod berichten allerdings teilweise die Kirchenbücher und geben den Heutigen ein paar persönliche Informationen.
Es handelt sich im Folgenden um Auszüge aus Kirchenbüchern in Bissendorf.
Das ist keine vollständige Liste, sondern nur beispielhaft für Wedemärker Tote in Napoleons Kriegen!
HINWEIS: Die Umschriften (Transkriptionen) zur besseren Lesbarkeit betreffen aber nur die Einträge, die mit den historischen Vorgängen dieser Seite zu tun haben.
1803
Pensionen für Überlebende:
"Unter den Papieren des Amtes Burgwedel im Staatsarchiv in Hannover befindet sich eine Liste aus dem Jahre 1818. In dieser Liste werden die Namen der Soldaten aufgeführt, die im Jahre 1803 infolge der berüchtigten Konvention von Artlenburg aus dem hannoverschen Heere unter entehrenden Bedingungen entlassen wurden. Diese Soldaten sollten nun, 1818, durch eine kleine Rente, die Gefreiten und Unteroffiziere durch die ihnen zustehende Pension abgefunden werden. Die
hannoversche Regierung schickte einen Leutnant Schäfer nach Bissendorf, der die Angelegenheit in der Amtsvogtei zu erledigen hatte.
Unter den in der Liste Aufgeführten befinden sich folgende Bissendorfer:
1. Bestenbostel, Jürgen Heinrich, Trainknecht;
2. Dangers, Joh. Heinrich, Trainknecht und Schmiedegeselle;
3. Imelmann, Hans Heinrich, Soldat;
4. Ohlenbostel, Hans Heinrich, Garde-Soldat;
5. Rieckenberg, Joh. Heinrich, Soldat;
6. Ritter, Joh. Diederich, Feuerwerker;
7. Pinckvos, Jürgen Heinrich, Trainknecht;
8. Stegmann, Joh. Heinrich, Soldat;
9. Schneider, Heinrich, Oberkanonier;
10. Thürnau, Hans Heinrich, Soldat;
11. Wede, Johann, schon am 1. Nov. 1806 in Pension getreten;
12. Wöhler, Cord Heinrich, Reuter;
13. Wöhler, Joh. Heinrich, Kanonier. Ist 1804 im Monat July in die Königl. Deutsche Legion eingetreten. Hat bei der Reitenden Artillerie gedient. Ist im März 1806 in Gasport in England gestorben.
14. Wöhler, Hans Heinrich, Kanonier. Ist 1804 im Monat September in die Königl. Deutsche Legion als Korporal bei der Reitenden Artillerie eingetreten. Ging 1850 in Pension.
15. Wöhler, Friedrich, Trainknecht;
16. Wöhler, Joh. Heinrich, Korporal;
17. Hapke, Hans Heinrich, Trainknecht;
18. Heine, Heinrich, Kanonier. Ist 1805, den 2. April, in die Königl. Deutsche Legion als Feuerwerker eingetreten. Auf der Reise von Portugal nach England gestorben."
Quelle: Henstorf, Heinrich, Chronik von Bissendorf, Hannover 1939, S, 25
Eintragungen in Kirchenbüchern:
Gestorben 1803
37. / 2. Novbr. / Adam Frome pare. gebohren in Mirecourt, Departement des Vosges. / Bei Hofe des Wachtmeisters Joseph Frome und der Catharine Richard, vom 4. Französischen Husaren Regimente, welche in Langenhagen in Quartier lagen. / 3 Jahre. Frieseln. / Twenge.
Gestorbene vom Jahre 1803
1. / Am 25ten Jul starb hierselbst der Kanonier und Junggesell Ludwig Schneehagen an der Auszehrung, die er im Dienste des Amts? sich zugezogen hatte. Am 28ten wurde er beerdigt – alt 34 J. 10 M. 21 T.
September 1812
Völkerschlacht bei Leipzig
./. / Nach eingesandter Urkunde ist der aus Brelingen gebürtige Hans Heinrich Breling, als Soldat im Larzarethe bei der Armee gestorben; er war unverheiratet und Sohn des hiesigen Einwohners weil. Johann Heinrich Breling, und dessen Ehefrau, Engel geborene Walter, alt 26 Jahre.
1813
Gestorbene, ab 1812 bis 1813
./. / auch ist nach eingesandter Urkunde, der Soldat Heinrich Thielking aus Negenborn gebürtig, 24 Jahre alt, zu Noshaick, in Russland gestorben, am 4. Oct. 1812.
Johann Friedrich Dedeke / Mai 20 zwanzigsten / Sohn des vormaligen Hauswirts: Johann Heinrich Dedeke und Anna Catharina Reshmann* (?) Sohn zu Wennebostel / vom Feinde getödtet / bei Bautzen in der Schlacht geblieben, aus Wennebostel gebürtig.
* In anderen Eintragungen "Bäsmann" (Schreibfehler)
Bissendorf: Christoph Heinrich Friedrich Voigts, 1. westfälisches Linien-Regiment, auf der Retirade 1812 gefangen genommen, im Hospital zu Riga gestorben (dortige Hospital-Gouvernement-Akten).
Oegenbostel: Johann Friedrich Carl Evers, 2. westfälisches Chasseur-Regiment, im August 1812 bei Smolensk gefangen genommen, von Kasan ins Vaterland zurückgeschickt (dortige Gouvernement-Akten), „ist auch durch Bialystock laut den Absendungs-Acten passirt“.
"Die Schlacht bei Bautzen fand am 20./21. Mai 1813 nahe der Stadt Bautzen im Zuge der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich statt. Napoléon hatte in der Schlacht bei Großgörschen (Lützen) die Verbündeten Russland und Preußen besiegt. ...Während des Rückzugs der Verbündeten griff Napoléon bei Bautzen erneut an. Obwohl die Franzosen nur Gelände gewinnen konnten, wird diese Schlacht als Sieg für Napoléon gewertet."
Quelle: Wikipedia
Transcription:
Andreas Heinrich Querfeld S.des hiesigen Maurers Heinrich Querfeld u. dessen Frau der Marie Steiger starb im Lager bey Mosaik in Rußland als Grenadier bey der 6th. Comp. Garde / Folgen der Entkräftung
Exkurs: Verluste im Russlandfeldzug Napoleons 1812
Nach dem Russlandfeldzug Napoleons 1812 und seiner furchtbaren Niederlage, die Tausende Tote und Verwundete hinterließ, gab es auch im Königreich Hannover Nachforschungen, sog. "Nachweisung", die sich in namentlichen Listen von 1817 niederschlugen.
Offizielle Verlustliste vom Rußlandfeldzug 1812
Im Jahre 1818 wurde der hannoversche Leutnant Heinrich Meyer von der preußischen Regierung als Kommissar nach Rußland geschickt, um in den vorhandenen Gouvernements-, Gerichts-, Polizei- und Hospitalakten nähere Einzelheiten über das Schicksal der zur Großen Armee oder zu den königlich westfälischen Truppenteilen einberufenen Soldaten herauszufinden. Es gelang ihm, die Schicksale von etwa 6000 Soldaten zu belegen und in 4 Listen zu ordnen, die von 1818 bis 1822 veröffentlicht wurden.
Überschrift der Listen des Leutnant Heinrich Meier Verlustliste: „Die in französischen und westphälischen Kriegsdiensten gestandenen, nach Rußland gegangenen und von dort nicht wieder zurückgekehrten Soldaten aus dem Amt Zeven, und deren namentliche Auflistung durch Leutnant Meyer“
Quellen:
http://www.denkmalprojekt.org/2009/vl_1812_lt_meyer_list1_a-k.htm, abgerufen: 3.3.2024
und
Quelle: Staatsarchiv Stade, Bestellnummer: Rep. 74 Zeven Nr. 180, Bestandbezeichnung: Amt Zeven (bis 1885), Signatur: Nr. 180
Vorderseite der Liste 1
Eine Innenseite der Nachweisung:
Rückseite des Dokuments
Quellen: Privatbesitz Reiner Linnemüller
Ausschnittsweise Transkription der "Nachweisungen":
(Ausschnitt)
Tote, Verwundete, Überlebende des Russlandfeldzuges 1812
aus der Amtsvogtei Bissendorf
(aus den "Nachweisungen")
Als Napoleon am 24. Juni 1812 die polnische Grenze Richtung Russland überschritt, führte er in seiner "Grande Armee" mit allen teilnehmenden ausländischen Verbänden eine Armee von 475 000 Mann und über 200 000 Pferden in den Krieg. Ihm folgten noch 35 000 bis 40 000 Soldaten der Unterstützungs- und Nachschubtruppen!
Das hiesige Königreich Westphalen seines Bruders Jerome war daran mit 27 000 Soldaten beteiligt!
Es kann nicht überraschen, dass bei dieser Menge an Soldaten in den o.g. "Nachweisungen" von Heinrich Meyer auch Namen von Kriegstoten, Verwundetrn, Überlebenden in Russland aus unseren Ortschaften auftauchen.
Eine wahrscheinlich unvollständige Liste aus der Transkription folgt hier:
Interessierte können unter diesem Link die vollständigen Listen im Internet einsehen.
1815
Teilnehmer, Tote, Verwundete und Überlebende
aus der Wedemaek in Napoleons letzter Schlacht in Waterloo
(früher Belle Alliance)
"Sterbliche Überreste der Gefallenen
Zunächst wurden die Toten der Schlacht in Massengräbern in den für diese Löss-Gegend typischen Hohlwegen begraben. Spätere Versuche, ihre Gebeine zu bergen, blieben ergebnislos. Nur zwei Skelette wurden gefunden. Wo die sterblichen Überreste der mindestens 20.000 gefallenen Soldaten und der Pferde geblieben waren, war lange Zeit unklar. Im Jahr 2022 fanden der belgische Historiker Bernard Wilkin, sein deutscher Kollege Robin Schäfer und der britische Schlachtfeldarchäologe Tony Pollard heraus, dass etwa 20 Jahre nach der Schlacht begonnen worden war, die Gebeine wieder auszugraben, um sie an die boomende Zuckerindustrie Belgiens zu verkaufen. In der Zuckerfabrikation wurde die begehrte Knochenkohle als Filtermaterial zum Entfärben des Zuckers benötigt."
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Waterloo
Auch aus der Amtsvogtei Bissendorf nahmen Soldaten an der Schlacht teil. Folgende Namen sind bekannt:
Mellendorfer Kriegsteilnehmer:
Wilhelm Oldendorp, Sohn des Pastors Oldendorp, Frey Corporal in dem Infantrie Regimente Bremen, blieb bey Waterloo den 18. Juny 1815. (Sterberegister der Mellendorfer Kirche auf Seite 199.)
Dragoner Friedrich Hartmann ist lt. Totenschein aus Amiens vom 23. September 1815 in der Schlacht bei Waterloo am 18. Juny geblieben.
Hans Heinrich Otto Plinke hatte wohl an dem Krieg teilgenommen, sein Verbleib ist ungewiss. Angeblich soll er nach Amerika ausgewandert sein. Johann Heinrich Plinke, Bruder von Hans Heinrich Otto, ist aus dem Krieg heimgekehrt.
Johann Heinrich Rudolf Strube hat den Krieg überlebt.
Cord Heinrich Pries (Lehrer) hat den Krieg überlebt.
(Gimmler, S. 284 f.)
Alle Legionäre mussten, wenn sie ihre Pension nicht verlieren wollten, auf welfischem Gebiet, also in Hannover oder Braunschweig, ihren Wohnsitz nehmen. Daraus folgt, dass viele ehemalige Soldaten aus anderen Landesteilen z.B. sich in Mellendorf ansiedelten und dort heirateten (s. Gimmler, Seite 285).
Bissendorfer Kriegsteilnehmer:
"An der Schlacht bei Waterloo nahmen drei Bissendorfer teil, nämlich
1. Bartels, Karl, Klempner, geb. 29. September 1790;
2. Grupe, Georg Friedrich August Christian, Amtsgerichtsdiener, geb. 14. April 1796;
3. Voigts, Johann Heinrich Rudolf, Landwirt, Hausnummer 37.
Frau Bartels, die Gattin des oben genannten Klempners, soll nach glaubwürdigen Bekundungen ihres Großsohnes Otto Bartels als Marketenderin Augenzeugin der Schlacht bei Waterloo gewesen sein."
Die Schlacht von Waterloo 1815 -
Dokumentation ZDF
Zur Wiedergabe bitte Bild anklicken!
Siehe zum Verbleib der Toten von Waterloo insgesamt auch:
https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2022/06/wohin-verschwanden-die-toten-nach-der-schlacht-bei-waterloo
Außerdem als Ergänzung:
Sensationsfund von Waterloo: „Tote Preußen auf dem Dachboden“ - FAZ Podcast für Deutschland (27 min., abgerufen: 7.3.2024)
Englisches Schlachtgemälde
Quelle: https://www.independent.co.uk/news/uk/battle-of-waterloo-anniversary-the-story-of-napolean-s-defeat-in-numbers-10328533.html
