Zwangsarbeit gab es auch in der Wedemark
Begriffsklärung:
(Die blau unterlegten Begriffe führen zu weiteren Erläuterungen):
"Zwangsarbeit
Arbeit, die mit nicht-wirtschaftlichem Zwang und unter Androhung von Strafe verlangt wird. Unter Zwangsarbeit im Nationalsozialismus versteht man insbesondere die Verschleppung und Ausbeutung von über 13 Millionen ausländischen KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und „zivilen“ Arbeitskräften in Deutschland. Zwangsarbeit gab es auch in Ghettos, Arbeitserziehungslagern und anderen Lagern im gesamten besetzten Europa und betraf insgesamt etwa zwanzig Millionen Menschen. Deutsche Jüdinnen und Juden und deutsche Häftlinge leisteten ebenfalls Zwangsarbeit. Daneben herrschte in vielen besetzten Ländern ein allgemeiner Arbeitszwang für die Zivilbevölkerung. Davon abzugrenzen sind die Arbeitspflichten für die deutsche Bevölkerung (Reichsarbeitsdienst, Dienstverpflichtung, Landjahr), die unter völlig anderen Bedingungen stattfanden.
Fremdarbeiter
Umgangssprachliche Bezeichnung für „zivile“ Zwangsarbeiter im Nationalsozialismus. Der Begriff „Fremdarbeiter“ verschleiert den Zwang als Grundlage des Arbeitseinsatzes. Selbst die ursprünglich freiwillig, d. h. oftmals aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland gekommenen „Fremdarbeiter“ durften später ihren Arbeitsplatz nicht mehr verlassen. Der in den Quellen nur selten verwendete Begriff „Fremdarbeiter“ fand nach 1945 Verbreitung, um den nationalsozialistischen Ausländereinsatz von der Beschäftigung der „Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik zu unterscheiden. In politischen Debatten werden Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten noch heute gelegentlich als „Fremdarbeiter“ bezeichnet.
Fremdvölkische
Nationalsozialistische Bezeichnung für Menschen, die nicht „germanischer Abstammung“ waren und nicht zur „Volksgemeinschaft“ zählten. Als „fremdvölkisch“ galten alle Ausländerinnen und Ausländer, die nicht aus „germanischen“ Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien kamen. Als „rassisch minderwertig“ wurden insbesondere Slawinnen und Slawen angesehen. Ganz unten in der NS-Rassenhierarchie standen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma sowie Farbige; sie galten als „fremdvölkisch“, auch wenn sie Deutsche waren.
Sklavenarbeiter
Heutige Bezeichnung für völlig rechtlose Arbeitskräfte, v. a. für die Häftlinge von Konzen-trationslagern. Der Begriff „Sklavenarbeiter“ wurde als einer der Hauptanklagepunkte in den Nürnberger Prozessen für alle zur Arbeit ins Reich Verschleppten verwendet. In den Entschädigungsverhandlungen der 1990er Jahre bezeichnete er dagegen nur die Gruppe der KZ-Häftlinge, die für die SS, für private oder staatliche Unternehmen arbeiten mussten und extrem ausgebeutet wurden („Vernichtung durch Arbeit“). Der mit diesem Begriff verbundene Vergleich der NS-Zwangsarbeit mit der Sklaverei in anderen Epochen ist umstritten, u.a. weil die SS im Unterschied zu anderen Sklavenhaltern kaum am Überleben ihrer "Sklavenarbeiter" interessiert war. Zivilarbeiter, heutige Bezeichnung für Zwangs-arbeiter, die keine Kriegsgefangenen oder KZ-Häftlinge waren. Im Sommer 1944 gab es im Deutschen Reich rund 5,7 Millionen ausländische Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter. Sie wurden von privaten Firmen, Behörden, Bauern oder Familien beschäftigt, unter-gebracht und überwacht. Kriegsgefangene und Militärinternierte dagegen unterstanden der Wehrmacht, Häftlinge der SS oder der Gestapo.
Ostarbeiter
Nationalsozialistische Bezeichnung für Zivilarbeiter aus den ab dem 22. Juni 1941 besetzten Gebieten der Sowjetunion. Nach der anfänglichen Anwerbung von Freiwilligen folgte sehr bald die gewaltsame Verschleppung von 2,1 Millionen sowjetischer Frauen und Männer nach Deutschland. „Ostarbeiterinnen“ und „Ostarbeiter“ mussten das diskriminierende „OST“-Abzeichen tragen, wurden meistens in besonderen Lagern untergebracht und weitaus schlechter behandelt als Zwangsarbeiterinnen und Zwangs-arbeiter aus anderen Ländern. Nach der Befreiung wurden viele von ihnen in der Sowjetunion wegen angeblicher Kollaboration diskriminiert oder verfolgt. Menschen aus Polen zählten nicht zu den "Ostarbeitern", wurden aber ebenfalls besonders schlecht behandelt.
URL: https://www.zwangsarbeit-archiv.de/zwangsarbeit/zwangsarbeit/zwangsarbeit-begriffe/index.html
Kriegsgefangener:
"Für die Behandlung von Kriegsgefangenen gelten die völkerrechtlichen Regelungen der Haager Landkriegsordnung von 1907 (Artikel 4 bis 20) und das III. Genfer Abkommen von 1949 (eine der vier Genfer Konventionen). Um als Kriegsgefangener zu gelten, muss die betroffene Person laut den Genfer Konventionen ein offizieller Beteiligter an einem Konflikt sein oder Mitglied einer militärischen Befehlsstruktur und als solches erkennbar sein. Dazu zählen auch Personen, die keine Militärpersonen, aber für die Streitkräfte tätig sind (siehe auch Militärdienstleister). Polizei und paramilitärische Organisationen werden in den meisten Fällen nicht als Beteiligte gewertet, falls dies allerdings von dem betroffenen Staat gewünscht wird, muss er dies dem Kriegsgegner mitteilen. Wichtig für Annahme des Kriegsgefangenenstatus ist das Tragen einer Uniform oder von Erkennungszeichen, welche die Person als Beteiligten zu erkennen geben. Wenn Beteiligte nicht unterscheidbar von Zivilisten sind, ihre Waffen verdeckt oder feindliche Uniformen tragen, verlieren sie diesen Status. Der Kriegsgefangenenstatus wird auch auf Rebellen angewandt, die in Uniformen und mit offen getragenen Waffen kämpfen sowie in Befehlsstrukturen eingebunden sind. Für Bombenleger und Mitglieder internationaler sowie nationaler Terrororganisationen wird der Kriegsgefangenenstatus nicht angewandt."
Bitte anklicken: https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsgefangener
Zivilarbeiter
waren nach nationalsozialistischem Sprachgebrauch junge männliche und weibliche Arbeitskräfte, häufig noch Jugendliche, aus den von deutschen Truppen während des Zweiten Weltkrieges besetzten Ländern, die in ihrer Heimat weitgehend unter Druck oder falschen Versprechungen angeworben wurden und in Deutschland oder den besetzten Gebieten rechtlos und überwiegend unter menschenunwürdigen Bedingungen als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, um die deutsche Kriegswirtschaft aufrechtzuerhalten.
Bitte anklicken: https://de.wikipedia.org/wiki/Zivilarbeiter
Militärinternierter
war ein gegenüber einem Kriegsgefangenen privilegierter Status für bestimmte Gruppen von Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg von Deutschland gefangengehalten wurden. Er wurde anfangs für deutschfreundliche Gefangenengruppen aus Ländern verwendet, deren Regierungen mit Deutschland kollaborierten und die keine Kriegsgegner waren, aus Dänemark, der Slowakei und aus Finnland. Eine besondere Lage ergab sich ab 1943 in Italien. Deutschland betrachtete das Mussolini-Regime in Salo als legale italienische Regierung, mit der es sich nicht im Kriegszustand befand, und erkannte die Badoglio-Regierung nicht an. Nachdem Italien mit den Alliierten am 8. September 1943 den Waffenstillstand von Cassibile schloss, setzte das Deutsche Reich umgehend Befehle in Kraft, die italienische Armee zu entwaffnen und die Soldaten als „Italienische Militär-internierte (IMI)“ zur Arbeit nach Deutschland zu deportieren. Die italienischen Militär-internierten verstärkten die deutsche Kriegswirtschaft um rund 600.000 Arbeitskräfte. Wer den Arbeitseinsatz verweigerte, wurde als „Kriegsgefangener“ eingestuft. Mit diesen (laut Völkerrecht arbeitspflichtigen) Kriegsgefangenen wurde nicht einheitlich verfahren. Teils wurden sie korrekt nach den Vorschriften des Genfer Abkommens behandelt, teils in Konzentrationslager überstellt, teils zur Zwangsarbeit in die Operationsgebiete an der Ostfront verbracht, teils erschossen.
Bitte anklicken: https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rinternierte
Mit dem folgenden Beitrag kann die Zwangsarbeit in der Wedemark in den wesentlichen Aspekten als aufgearbeitet gelten:
Quelle: s.u.
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Der Text der gesamten Arbeit von Helge Kister ist hier erreichbar:
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Wedemark aktuell, 7. Nov. 2021:
Auch 76 Jahre nach dem Krieg kann dieses Thema wieder aktuell werden. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete:
Quelle: HAZ vom 6.11.21
Recherche von Christa Goldau
in einer langen und differenzierten Recherche hat Frau Goldau aus Mellendorf versucht, etwas über den Verbleib des polnischen Zwangsarbeiters Stepan Barlog herauszufinden, der während des Zweiten Weltkrieges bei der Familie Bertram in Mellendorf eingesetzt war.
Die Ergebnisse, die leider zu keinem Erfolg führten, werden im Folgenden dokumentiert.
Verbleib des ehemaligen polnischen Soldaten und Zwangsarbeiters Stephan Barlog nach 1945 weiterhin ungeklärt
Die Anfrage aus Polen zum Verbleib von Stephan Barlog Um die Weihnachtszeit 2020 erhält Heinrich Bertram junior ein Schreiben aus Polen, worin er gebeten wird, Auskunft über den Verbleib und das weitere Schicksal von Stephan Barlog (Szczepan Barlo'g, Stefan Barlok) zu geben. Hintergrund ist der, dass besagter Stephan Zivilarbeiter während des 2.Weltkrieges auf dem Hof der Bertrams in Mellendorf war und nicht zu Frau und Tochter nach Kriegsende zurückgekehrt ist. Die inzwischen 86jährige Tochter Maryla möchte nun wissen, wo ihr Vater verblieben ist, möchte eine Stelle, ein Grab, vor Augen haben, um inneren Frieden zu finden. Der polnische Ansprechpartner (M. Paszyk) erklärt sich als Freund der Familie, verweist darauf, dass seine Mutter die Schwester der Ehefrau von Stephan sei. Man habe sich um die Beiden gekümmert und in die Familie aufgenommen. Schon im ersten Schreiben betont er, dass es nicht um eine „Zahlungsaufforderung oder Enschädigung geht, sondern wir die Wahrheit erkennen möchten“. Warum erst jetzt, 75 Jahre nach Kriegsende nach Stephan gesucht wird, beantwortet er „Was das Motiv für das Benehmen von Szczepan Barlog angeht, bin ich der Meinung, wenn er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges seine Tochter und seine Gattin geliebt hätte, wäre er zu ihnen zurückgekehrt. Es sei, denn im Laufe der fünf Jahren folgten besondere Umstände, die ihn zu einem sochen Benehmen tendiert haben. Eins ist klar, seine Tochter Maria hat sich nach seinem Vater sehr gesehnt und das kann sie bis zum heute spüren. Meine Vetterin Maria nimmt zur Zeit starke Schmerzmittel und der Kontakt mit ihr ist dadurch erschwert.“ „Meist traurig ist es das, dass er der Familie in Polen kein des Lebenszeichen gegeben hatte. Ganz zu schweigen von irgendwelcher Alimentation.“
Die schwierige Situation in Polen während des Zweiten Weiltkriges erklärt er kurz damit: „Polen war wirklich in der Besatzungszone der Sowjetunion gewesen und das hatte Folgen dafür, dass irgendwelche Kontakte mit dem Westen verdächtig waren. Deshalb hatten wir uns mit der Sache so spät befasst. Viel hatten die Informationen von dem polnischen Institut für Nationales Gedenken (das Äquivalent der deutschen Gauck-Behörde.) geholfen. Diese Archiven wissen nicht, was mit Szczepan (Stephen) Barłóg nach seinem Entlassen passiert war. Er war ein im Jahre 1939 gefangen genommener Soldat gewesen.“ Und die später gestellte Frage nach einem Foto, was hilfreich bei der Suche sein könnte, ergänzt er: „Was aber ein Foto Szczepan Barlogs angeht, muss ich Ihnen mitteilen, dass nur reiche Menschen sich damals einen Fotoaparat leisten konnten. Wir hatten uns deshalb nicht viel Fotos machen lassen. Diejenigen Fotographien, die wir besaßen, waren bis zu einem Zeitpunkt aufbewahrt worden, denn wir hatten die Hoffnung gehabt, dass er eines Tages hätte zurückkommen können. Leider ist nichts Derartiges passiert. Das war deshalb die Ursache dafür, dass keine Andenken an Szczepan bewahrt worden sind. Ich weiß nur aufgrund dessen, was mir erzählt worden ist, dass er begabter Schmied gewesen war und für einen deutschen Besitzer des Landgutes Namens von Hantelmann gearbeitet hatte.“
Das ganz besondere Verhältnis zum deutschen Gutsherren von Hantelmann wird völlig emotional aufgegriffen und erklärt: „Was die Fotos angeht, möchte ich Ihnen die Tatsache verdeutlichen, dass Polen vor dem zweiten Weltkrieg im Jahre 1918 nach der 123-jährigen Abwesendheit auf der Europalandkarte auf sie zurückgekehrt war. Die Okkupanten dh. Preußen, Russland und Österreich waren nur daran interessiert, Gewinne zu erzielen. Sie wollten nur verhindern, dass die besetzten polnischen Gebiete sich hätten entwickeln können. Das hatte zur ernormen zivilisatorischen Rückständigkeit Polens beigetragen. Darüber hinaus sind meine Eltern als Bewohner des Warthelandes (des heutigen Großpolens) der deutschen Kolonisierung unterzogen worden, und aus diesem Grund war das Dorf Rokstedt (Rokietnica) zum Eigentum des deutschen Kolonisten von Hantelmann geworden. Der Mensch hatte viel von der Hilfe der damaligen deutschen Regierung profitiert. Er machte viel, damit er schwache polnische Landwirtschaften aufkaufen konnte. Leute (darunter auch meine Eltern) hatten bei ihm für einen Apfel und ein Ei gearbeitet. Das hatte dazu beigetragen, dass meine Familie sich damals keinen Photoaparat leisten konnte. Zu Kriegszeiten durften keine Vertreter der polnischen Nation den Betrieb eines Fotografen betreten. Das alles bereitet mir das Problem, machts unmöglich, das Foto von Szczepan Barlog an Sie zu schicken. „
Familie Bertram und die Zivilarbeiter auf dem bäuerlichen Hof und der Schmiede Insbesondere die Kinder, so wie Marga und Heinrich als damalige Schulkinder, konnten heute als Zeitzeugen fungieren und berichteten. Sie kannten „ihren“ Kriegsgefangenen Stephan, ebenso wie den russischen Schmied und das polnische Hausmädchen. Mutter Bertram war ohne ihren Mann, der in den Krieg musste, mit den damals 4 Kindern, dem Hof und der Schmiede völlig überfordert und hätte die Arbeit nicht ohne Unterstützung der Kriegsgefangenen geschafft. Der landwirtschaftliche Hof und die Schmiede der Bertrams lag und liegt in Mellendorf an zentralster Stelle, der Stucke Kreuzung. Die großen Verkehrsverbindungen laufen direkt von Nord nach Süd und von Ost nach West. Hier wurde Geschichte geschrieben. Stephan hatte zusammen mit dem Russen ein Zimmer mitten im Wohnhaus und es scheint so, dass er sich bei den Bertrams wohlfühlte. Er war in der Schmiede und auf dem bäuerlichen Hof beschäftigt. Die Kinder konnten mit ihm reden, da er deutsch sprach. Er hat mit ihnen wie in einer Familie zusammen am Tisch zu Mittag gegessen, was streng verboten war und häufig durch die Gestapo kontrolliert wurde. Marga und Heinrich Bertram schildern das Zusammenleben mit den Kriegsgefangenen als eine Zeit ohne größere Probleme. Es gab genug zu essen und vom Krieg erlebten sie nur wenig. Das große Unglück am 24.05.45, als durch einen britischen Flammenwerfer während einer Bücherverbrennung zwecks Entnazifizierung Menschen verletzt und eine Frau verstarb, erlebten sie gemeinsam mit Stephan direkt vor ihrem Wohnhaus an der Stucke Kreuzung. Nachweise zur Person Stephan Barloc und der Zeit bis Mai 1945 Stephan wurde am 04.12.12 in Cerekwika (Posen) geboren, Sohn von Joseph und Josepha Barlog, geborene Tonder. Er war Schmied und arbeitete auf dem Gutshof von Hantelmann in der Gmina Rokietnica. Ob sich Stephan Barlog freiwillig als Soldat gemeldet hat oder ob er eingezogen wurde, ist nicht bekannt. Ebenfalls nicht bekannt sind das Heiratsdatum und das Geburtsdatum der Tocher Marlya (Maria). Da die Tochter 2020, zur Zeit der Anfrage, 86 Jahre alt gewesen sein soll, wurde sie 1934 geboren und war somit ein Kind von 5 Jahren, als der Vater in den Krieg zog. Am 09.07.1940 wurde Stephan Barlog als Kriegsgefangener Nr. 884, Schütze im 58.Regiment der Infanterie, aus dem Stalag XI-B (Fallingbostel) entlassen und als Zivilarbeiter auf dem Hof der Bertrams eingesetzt. (Straty.pl. Info des Polnischen Roten Kreuzes) Im September 1946 wurde vom Mellendorfer Bürgermeister Klingemeier, wohl nach Aufforderung, eine Aufstellung über ausländische Staatsbürger, i.d.Fall Polen, verfasst. Daraus ist ersichtlich, dass 20 Männer und 3 Frauen bei den Mellendorfern beschäftigt waren. Hierin bestätigt sich die Beschäftigung Stephans bei der Familie Bertram. (ITS Digital Archive 2.1.2.1./70589944) Nach einem Dokument des Gerichtsgefängnisses Celle wurde 1942 Anklage gegen Stephan Barlog durch die Gestapo erhoben und er wurde zu Schutzhaft verurteilt, am 08.06.42 entlassen und kehrte danach auf den Hof der Bertrams zurück. (ITS Digital Archive 1.2.2.1/11336840) Den Bertrams war bekannt, dass es eine Auseinandersetzung mit einem Angehörigen der Gestapo gegeben hatte. Stephan sei auf das Heftigste verprügelt worden. Man habe sich einfach nicht gemocht. Eine Nachfrage beim Nds. Landesarchiv über die Anklagegründe wäre möglich gewesen, wurde aber von den Beteiligten abgelehnt. Der anzeigende Mann von der Gestapo war in Mellendorf bekannt, inzwischen verstorben und man wollte nun keine Unruhe unter möglichen Nachkommen stiften. Stephan Barlog hat nie einen Antrag auf Bestätigung der Haft hinsichtlich einer Entschädigung gestellt, so der Hinweis aus dem Büro der Arolsen Archives. Elfriede Schulz von der Stiftung Bergen Belsen (NSG) zur Inhaftierung: „Schutzhaft war eine Möglichkeit Personen, die „unangenehm aufgefallen“ sind oder Regimegegner waren, lediglich auf polizeiliche Anordnung hin, zu verhaften und sie ohne Gerichtsurteil ins Gefängnis oder in ein Konzentrationslager einzuweisen. Seit Juni 1942 war Stefan Barlog aus dem Gefängnis entlassen und vermutlich auch von da an bei Heinrich Bertram zur Arbeit zwangsverpflichtet. Der Anlass kann nicht besonders gravierend gewesen sein, denn der Einsatz war bei weitem nicht so mörderisch wie in vielen der Arbeitslager der Konzentrationslager. Da es aber weder Anklage noch Urteil gibt ist auch das nicht mehr nachzuvollziehen. Annähernd drei Jahre im Konzentrationslager wären sicher körperlich viel härter gewesen. Aber egal wie hart die Strafe für ihn ausgefallen ist, der Nebeneffekt, die anderen Zivilarbeiter (und vermutlich auch nicht ganz linientreue Deutsche) in Angst zu versetzen was man sagen darf oder welche Konsequenzen es haben Kann etwas zu tun (oder eben auch nicht) war sicher beabsichtigt.“ Am 30.05.45 wurde er aus der Landeskrankenkasse Burgdorf (LKK) von Mutter Bertram abgemeldet (ITS Digital Archiv 2.1.2.1./70590333). Daraus läßt sich folgern, dass er nach Kriegsende freiwillig länger bei den Bertrams gearbeitet hat und keine Neigung verspürte, zu Frau und Kind nach Polen zurückzukehren. In Mellendorf wurden derweil von den Engländern Vorkehrungen getroffen, die verbliebenen Polen und Russen in ihre Heimatländer zu repatriieren. Alles was zum Verbleib von Stephan Barlog ab diesem Datum recherchiert wurde, basiert darauf, dass er wie viele andere ehemalige Kriegsgefangene nicht in sein Heimatland zurück wollte und er somit die Klassifikation Displaced Person zugeschrieben bekam. Er war heimatlos. Die Suche Die ersten Hinweise bei der weiteren Recherche sind dem Mellendorfer Kriegstagebuch von Ewald Niedermeyer zu entnehmen (gekürztes Zitat): 29.05.1945 …. Die Polen sind heute weggekommen. Mit englischen Lastautos wurden sie am Nachmittag in Richtung Celle abtransportiert. ….. Sie sollen, wie man hört, gemustert werden und müssen dann Soldat werden. Sie redeten ja selbst davon, daß sie Polen wieder von den Russen befreien wollten. Bei der Lebensmittelkartenausgabe sagte vor einigen Tagen ein Pole, daß es in seiner Heimat unter der russischen Herrschaft ja viel schlimmer sei als in den deutschen Konzentrationslagern.
03.06.45 Von den Polen sind mehrere aus dem Lager bei Celle wieder in ihre früheren Quartiere zurückgekommen. Das Lagerleben und die Verpflegung gefällt ihnen nicht. 7 Polen, die hier arbeiten wollten, sind mit Genehmigung des englischen Kommandanten hiergeblieben.
Die Nachforschungen zum Verbleib von Stephan Barlog richteten sich infolge der Daten Niedermeyers, „man brachte sie in ein Lager nahe Celle“, an das DP Camp Bergen Belsen, an das näher an Mellendorf liegende Camp Ohio bei Burgdorf und zuletzt noch an das Lager Fallingbostel (Oerbke).
Die Antwort aus Bergen-Belsen (gekürzt) Leider kann auch ich der Familie Balóg nicht wirklich weiterhelfen. In den uns bekannten Unterlagen aus dem „polnischen“ D.P. Camp (dem Teil mit den nicht jüdischen Polen) habe ich leider keinen Hinweis auf Szczepan oder Stephan Balóg gefunden. Wegen der Spannungen, die es zwischen den jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager und den (zum größten Teil) katholischen Polen gab, ist dieser Teil des Displaced Persons Camp Bergen-Belsen zwischen Mai und August 1946 aufgelöst worden. Die katholischen Polen sind nach Fallingbostel oder in andere Orte oder in andere D.P. Camps umgezogen. Die Unterlagen dieser Lager sind später zum größten Teil an die Arolsen Archives (früher Internationaler Suchdienst in Bad Arolsen) gegangen.
Da Herr Barlóg polnischer Soldat war könnte er auch in die polnische Besatzungszone ins Emsland gegangen sein. Zu diesem Teil der Geschichte gibt es einen Eintrag bei Wikipedia,..... Danach könnte Herr Barlóg auch nach Großbritannien oder Kanada ausgewandert sein. Die Unterlagen über Kriegsgefangene Soldaten werden üblicherweise nach Kriegsende an das Archiv der Verteidigungsministeriums des Heimatlandes übergeben. Da Polen nach Kriegsende von der Sowjetunion besetzt war, besteht die Möglichkeit dass die Unterlagen im britischen Imperial War Museum liegen.
Zumindest eine Antwort habe ich, die für die Familie vielleicht tröstlich ist: Herr Barlóg ist nicht im D.P. Camp Bergen-Belsen gestorben. Die Namen der hier Verstorbenen sind bekannt, und das gilt nicht nur für die jüdischen Bewohner des Lagers. (Elfriede Schulz, Stiftung SNG)
Für das Camp Ohio enthielt die Antwort zwar weitere Hinweise zur Suche, jedoch kein Verzeichnis zur Person im Lager Ohio. „Leider sind vom DP Lager "Ohio" (Ohio I und II) in Burgdorf keine Listen der Bewohner überliefert. In den zum DP Lager "Ohio" ermittelten personenbezogenen Unterlagen kommt der Name Stefan Barlog nicht vor. Auch in Burgdorfer Melderegisterkarten (während der Zeit des 2. Weltkrieges) für Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit gibt es keinen Eintrag für Stefan Barlog.“(Ralf Grävenstein, Historiker)
Die Nachfrage und Antwort aus Fallingbostel zum DP Lager Oerbke kam vom Ortsvorsteher Andreas Ege, klang hoffnungsvoll und scheiterte doch daran, dass es zum Link keinen Zugang gab. „Da wir ja klären konnten, dass Herr Barlog ostpolnischer DP war, wäre es möglich, dass er nach dem Krieg bei der brit. Armee eine Anstellung gefunden hatte.
Ich hatte die Gelegenheit, mit dem ehem. brit. Verbindungsoffizier Hugh Pierson über Ihren Fall sprechen zu können
Er teilt meine Auffassung, dass eine Nachfrage, ob er im Camp Fallingbostel ab 1945 dem Royal Corps of Transport in einer Mixed Service Organisation (MSO) z.B. als Fahrer tätig war, erfolgsversprechend sein könnte.
Kontakt: Auf der Website hatte ich bei der Namenseingabe allerdings keinen Erfolg.
Die Möglichkeit, dass sich Stephan Barlog in der polnische Enklave Haren-Maczkow niedergelassen hatte, wurde von der Historikern Britta Albers leider ebenfalls verneint. - „Leider haben wir hier keine Liste aller ehemaligen Maczko´w-Bewohner, sondern nur vereinzelte Angaben und Listen zu Personen, die hier lebten. In diesen Listen taucht der Name Stefan Barlog leider nicht auf. Wir haben unter anderem Digitalisate der polnischen Kirchenbücher hier, die auch online einsehbar sind auf dem Portal der Porta Polonica.“
Nachfrage und Auskunft aus dem Arolsen Archiv erbrachten wichtige Dokumente, die der Zusammenfassung beigefügt sind. Stephan Barlog wurde namentlich von den Briten aufgeführt, jedoch ohne Hinweis auf seinen weiteren Verbleib. Zudem haben die Briten bedauerlicherweise die meisten Akten vernichtet.
Soweit es möglich war wurden Passagierlisten nach Amerika und England durchforstet, die bei der Suchmaschine Ancestry automatisch ausgespukt werden, ohne Erfolg, nur der Name konnte ersichtlich werden.
Nach einem Zeitungsbericht meldete sich das Dokumentationszentrum zur NS Zwangsarbeit in Berlin. „Wir hatten Ihren Suchaufruf mit veröffentlicht. Leider war der Artikel hinter einer Paywall. Daher hat sich Dariusz Pawłoś direkt bei uns gemeldet mit der Nachricht: Die Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ (poln. Fundacja „Polsko-Niemieckie Pojednanie“) kann Ihnen helfen.“ Juliane Grossmann
Weitere Suchanfragen richteten sich an genannte polnische Stiftung und weiter an die Polnische Katholische Mission in Hannover, ohne von dort überhaupt eine Antwort zu erhalten.
Der entscheidende Hinweis darauf, dass sich Stephan Barlog nicht mehr in Deutschland aufhält, kam von der Deutschen Rentenversicherung. Es gab keinen Hinweis auf sozialversicherungsrechtliche Einzahlungen und keinen Hinweis auf einen Rentenbezug, auch wenn bis 1972 die Akten vernichtet wurden. Ausgehend davon dass Stephan Barlog bis zum 65.Lebensjahr hätte arbeiten müssen, wäre der Rentenbezug erst im Jahre 1977 eingetreten und hätte im positiven Fall einige Jahre angedauert.
Christa Goldau, Dipl.Päd. 22.01.2023
Anfrage beim Polnischen Roten Kreuz:
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Listen verschiedener Institutionen mit den Namen von Zwangsarbeitern bis Kriegsende:
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EXKURS:
Fotos von Zwangsarbeitern in der Wedemark:
(von Reinhard Tegtmeier-Blanck)
Im Rahmen einer Ausstellung über Zwangsarbeit in Hannover und Langenhagen im dortigen Rathaus (entwickelt mit einer Schülergruppe der Integrierten Gesamtschule Mühlenberg in Hannover, um 2000) wurden die folgenden Passfotos neben weiteren nicht relevanten Dokumenten von dem Sekretariat der Gemeinde Wedemark zur Verfügung gestellt. Hinweise zum näheren Umfeld waren nicht vorhanden. Die originalen Dokumente wurden nach der Auswertung ordnungsgemäß zurückgegeben, sind aber inzwischen nicht mehr auffindbar.
Die folgenden Abbildungen gehen zurück auf Kopien, die dem Historiker HELGE KISTER von mir für seine Forschungsarbeiten überlassen wurden. Sie sind bisher nicht veröffentlicht.
Hier wurden sie sortiert nach der Bekleidung, die sie auf den Fotos tragen. Es fällt nämlich auf, dass einige beim Fotografieren offenbar dieselbe Oberbekleidung trugen.
Es liegt die Vermutung nahe, dass der Fotograf J. Mohr in Mellendorf speziell für solche Aufnahmen einen Fundus an Oberbekleidung bereithielt, mit denen er die Zwangsarbeiter ausstattete.
Zweck und Verwendung der Fotos sind nicht bekannt.
Die folgende Zusammenstellung zeigt, dass fünf der Zwangsarbeiter auf dem Foto dasselbe Jackett tragen.
Die folgenden Fotos mit Uniformjacken zeigen, dass zwei unterschiedliche Modelle verwendet wurden, wie man an der Zahl und Anordnung der Uniformknöpfe und einer charakteristischen Falte an der linken Brusttasche erkennen kann.
In der unteren Reihe ist die Zahl der Knöpfe geringer und beide Brusttaschen stehen offen.
Die folgenden Aufnahmen zeigen die sechs Fotos zusammen mit der jeweiligen Rückseite, die den Stempel des Fotografen zeigen, eine Nummer (Personalnummer?) und den Namen des Abgebildeten.
Wenn eine Zuordnung bezüglich ihrer nationalen Herkunft spekulativ wäre, so wird doch der internationale Herkunftscharakter erkennbar.
Die meisten Fotos stammen vom "Foto-Haus J. Moor, Mellendorf, Telefon 240" und die restlichen von "Wilh. Lüder, Lichtbild-Werkstätte, Podbielskistr. 52".
Verbotener Umgang: "Verbrechen Liebe"
Link bitte anklicken: https://www.regensburg-digital.de/verbrechen-liebe/12052012/
Beziehungen zwischen Zwangsarbeitern und deutschen Frauen
waren verboten und wurden schwer bestraft, den Zwangsarbeitern drohte in aller Regel die Todesstrafe!
Ans Licht kamen solche Beziehungen häufig durch Denunziation wie in diesem Fall aus Bissendorf 1944.
Die Verfahren wurden vor sog. Sondergerichten durchgeführt, speziellen NS-Gerichten (bitte anklicken).
Quelle des o.g. Textauszuges: Mechler, Wolf-Dieter, "Kriegsalltag an der Heimatfront", Das Sondergericht Hannover 1939 - 1945, Hannover 1997, S. 239
Zur weiteren Information:
Quelle: Kalmbach, Peter Lutz, Das System der NS-Sondergerichtsbarkeit, Kritische Justiz 50 (2017) Heft 2
Zum Weiterlesen bitte anklicken:
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