Bericht über Großburgwedel von 1900 bis zum Zweiten Weltkrieg:
Quelle: siehe oben
Der Todesmarsch hannoverscher KZ-Häftlinge nach Bergen-Belsen:
Als 1945 die alliierten Truppen von Westen und von Osten immer weiter vordrangen, versuchten die Nazis die überall verteilten Konzentrationslager aufzulösen und die Häftlinge in andere KZ zu bringen, d.h. sie wurden gezwungen, diese zu Fuß in sog. Todesmärschen zu erreichen. Von hannoverschen KZ aus war Bergen-Belsen das Ziel. Vom KZ in Hannover-Mühlenberg ging es z.B. in drei Tagen ca. 100 km über Isernhagen, Großburgwedel, Fuhrberg nach Bergen-Belsen. Wer wegen Erschöpfung nicht mehr weiterkonnte, wurde am Wegesrand erschossen und liegengelassen.
Am 7. April 1945 wurden auf dem Gelände der Pestalozzistiftung Großburgwedel 20 Menschen ermordet, die zu den Häftlingen des sogenannten Todesmarsches zählten und die von hannoverschen KZ-Außenlagern Richtung Bergen- Belsen getrieben wurden.
Foto: Tim Rademacher, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-4.0
Eine an der Scheune angebrachte Tafel erinnert an das Verbrechen. Die Opferzahl ist falsch!
Foto: Tim Rademacher, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-4.0
Auszug aus der Chronik Großburgwedel von Ch. Heppner, Seite 375:
".... Bei Auseinandersetzungen um die wenigen besseren Schlafplätze wurde dort ein 17jähriger belgischer Häftling von einem SS- Mann erschossen. Zwei oder drei weitere Häftlinge sollen während der Nacht an Erschöpfung gestorben sein. In Großburgwedel wurden nach einem Bericht des Pastors Badenhop mehrere Gefangene von der SS erschossen, als sie in der Nacht verzweifelt versuchten, den Brotwagen der Kolonne zu stürmen. Drei von ihnen wurden später auf dem Friedhof in Großburgwedel beigesetzt. ..."
Auszug Bürgerinitiative "Gegen das Vergessen": "Landessuperintendent a. D. Hartmut Badenhop, wurde im April 1945 als 15-jähriger Sohn des damaligen Leiters der Pestalozzi-Stiftung Zeuge des Verbrechens:
'... Anfang April 1945, in der Osterwoche, wurden fünf Marschkolonnen mit etwa 5000 KZ-Häftlingen aus den sieben hannoverschen KZ-Außenlagern – sie hatten in kriegswichtigen Betrieben Zwangsarbeit geleistet - nach Bergen-Belsen durch unseren Ort getrieben. Ein Augenzeugenbericht aus der Jubiläumsschrift 2004 „100 Jahre Pestalozzi-Stiftung in Großburgwedel“ „Ein Zug von über 1000 KZ-Häftlingen kam ins Dorf und wurde vom Ortsgruppenleiter der NSDAP, Wessarges, für eine Nacht in der Großen Scheune der Landwirtschaft der Stiftung einquartiert. In der Nacht versuchten die erschöpften Häftlinge den Brotwagen zu stürmen. Die SS-Wächter schossen sie zusammen. Morgens lagen etwa 20 Tote auf dem Hof. Dann wurde der Elendszug weiter nach Fuhrberg getrieben....'" Quelle: Bürgerinitiative „Gegen das Vergessen“ Burgwedel, Wahrheit und Klarheit für die nächsten Generationen (o.J. 2005).
Literatur: Neben der o.g. Bürgerinitiative gibt es auch ein Projekt zur Spurensuche in Großburgwedel:
Gestorbene Kriegsgefangene und andere Personen- Schreiben der Kirchengemeinde Burgwedel an den Bürgermeister, 1945:
Literatur zur Spurensuche in Großburgwedel:
Inhaltsverzeichnis
Irmtraut Heike / Jürgen Zimmer, Geraubte Leben, Hamburg 2019
Alfred Roselieb hat mindestens 931 Menschen in den Tod befördert oder war an ihrem gewaltsamen Tod beteiligt. Doch nach dem Krieg blieb der NS-Scharfrichter 23 Jahre lang als Bürger von Großburgwedel völlig unbehelligt.
Burgwedel. Kriegsende: Hunderte ausgebombte Hannoveraner, dazu die Flüchtlinge aus dem Osten - in Großburgwedel gibt es mehr Fremde als Eingesessene, jede Notunterkunft ist belegt. Überall unbekannte Gesichter. Da ist gut untertauchen - auch für Alfred Roselieb.
An Bilder des Henkers ist nicht heranzukommen. Zeitzeugen erinnern sich an einen relativ kleinen, schmalen Mann, der mit seiner Familie sehr zurückgezogen an der Straße An der Wedel in einem kleinen, einfachen Holzhaus gelebt habe. „Meine Frau und ich haben die Familie gekannt. Man grüßte sich und hielt mal einen kleinen Schnack. Alfred war ein fleißiger Mann, er hat viel im Garten gearbeitet, war Selbstversorger, hatte auch Federvieh und Schweine. Ich glaube, er hat als Gärtner beim Krankenhaus gearbeitet“, berichtet ein früherer Nachbar. Das große Grundstück sei rundum zugewachsen gewesen, habe keinen Einblick gewährt. Der Grund für dieses Sich-Verbergen könnte in der Vergangenheit des Bewohners gelegen haben. Während zwei seiner früheren Henkergehilfen in der sowjetischen Zone wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt und zum Tode verurteilt worden waren, hatte er sich rechtzeitig in den Westen abgesetzt. Der 1891 geborene Hannoveraner erlernte zunächst den Beruf des Gärtners, arbeitete dann als Kutscher und Bestatter, ehe er im Februar 1941 Gehilfe bei dem hannoverschen Scharfrichter Friedrich Hehr (1879-1952) wurde. Dieser war es, der seinen Gesellen motivierte, sich bei der Staatsanwaltschaft in Halle/Saale auf eine freie Stelle zu bewerben. „Roselieb ist vom Herrn Minister als Scharfrichter in Aussicht genommen worden. Seine Indienststellung hängt davon ab, dass er in Halle Wohnung nimmt und sich Gehilfen besorgt“, zitiert Thomas Waltenbacher in seiner als Buch erschienenen Untersuchung über „Zentrale Hinrichtungsstätten“ (Verlag Zwilling, Berlin 2008).
Nach der obligatorischen Überprüfung durch die Gestapo bekam Roselieb die Stelle. Laut Staatspolizeileitstelle 23, Hannover, war über ihn „bisher in politischer, abwehrpolizeilicher und sonstiger Hinsicht Nachteiliges nicht aktenkundig“. Die Beurteilung der Oberstaatsanwaltschaft Hannover war eine Empfehlung: „Roselieb ist ein nüchterner und ruhiger Mann mit einem bescheidenen, aber sicheren Auftreten, der schon Vollstreckungen in Vertretungsfällen selbstständig ausgeführt hat und sich gut zum Scharfrichter eignet.“ Nachzulesen ist das in Klaus Hillenbrands Buch „Berufswunsch Henker“. Roselieb sollte in seinem blutigen Gewerbe Karriere machen: Am 1. April 1944 trat er 52-jährig sein Amt als Scharfrichter für den Vollstreckungsbezirk VI mit den zentralen Hinrichtungsstätten Dresden, Weimar und Halle an. Arbeitsort war der „Rote Ochse“ in Halle: ein mächtiger, roter Klinkerbau. In der 1842 erbauten Königlich-Preußischen Straf-, Lern- und Besserungsanstalt ließen die Nazis von 1942 bis Kriegsende 549 Gefangene aus 15 Ländern durch das Fallbeil oder Erhängen umbringen. Roselieb vollzog auch Hinrichtungen in Berlin und Hamburg. In den Erinnerungen von Harald Poelchau, Gefängnispfarrer für die Strafanstalten Tegel und Plötzensee, tauchte er als Gehilfe des gleichfalls aus Hannover stammenden Scharfrichters Wilhelm Röttger auf, des Henkers, der die Männer des Widerstands hingerichtet hat. In Hamburg richtete er die 22-jährige Hildegard Zwack am 24. Mai 1944 um 16 Uhr im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis als „Volksschädling“ wegen Vernichtung von Nahrungsmitteln durch die Guillotine hin. Allein in den beiden letzten Kriegsjahren soll Roselieb laut Wikipedia für einen Henkerslohn von 26.433 Reichsmark an insgesamt 931 Hinrichtungen beteiligt gewesen sein. Im Juli 1946 zog Alfred Roselieb mit seiner Familie von Hannover-Bothfeld nach Großburgwedel auf ein Grundstück, das er schon Jahre zuvor erworben hatte. Bei der Gemeindeverwaltung meldete er sich, seine Ehefrau und Tochter ordnungsgemäß an. Als Beruf gab er „Landhelfer“ an. Bis zu seinem Tod 78-jährig im Jahr 1969 bleibt er Großburgwedeler. Unter dem „Burgwedel“-Eintrag der Online-Enzyklopädie Wikipedia gehört Roselieb, nachdem sein Name vorübergehend getilgt war, seit einiger Zeit wieder zu den „Persönlichkeiten, die vor Ort leben oder lebten“. Viele Henker waren Familienväter Etwa 12.000 Menschen wurden während der NS-Zeit im Deutschen Reich hingerichtet. Die meisten Opfer waren Regimegegner, hatten zum Beispiel Flugblätter verteilt wie Cato Bontjes van Beek oder die Geschwister Scholl. Oder sie hatten aktiv den Sturz der Regierung Hitler betrieben, wie die Widerstandsgruppe um Graf Schenk von Stauffenberg. Sogar mit deren Henker, Wilhelm Röttger, war der spätere Großburgwedeler Alfred Roselieb an Hinrichtungen beteiligt. Über NS-Scharfrichter – eine Gruppe von einigen Dutzend Personen – schreibt der Politikwissenschaftler Klaus Hillenbrand, sie seien keineswegs Sonderlinge oder alleinstehende Vereinsamte ohne soziale Bindungen gewesen, die meisten vielmehr verheiratete Familienväter – wie Roselieb, der sich von Häftlingen im NS-Zuchthaus „Roter Ochse“ Kinderstühle tischlern ließ (die heute in der dortigen Gedenkstätte als Bezug zu Roselieb ausgestellt sind). In der DDR wurde die letzte Hinrichtung 1981 durchgeführt. Im Westen wurde sie mit Gründung der Bundesrepublik am 24. Mai 1949 abgeschafft. Bis dahin waren auch in den Westzonen noch Todesurteile vollstreckt worden – unter anderem von drei Scharfrichtern, die schon in der NS-Zeit tätig gewesen waren. Sie verrichteten ihre Arbeit nach Kriegsende im Auftrag der britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden zunächst weiter. Zu ihnen gehörte auch Roseliebs früherer hannoverscher Vorgesetzter Friedrich Hehr, der bis 1948 allein in Wolfenbüttel und Hamburg 85 Menschen hingerichtet haben soll.